Es wird viel geschrieben und gesagt über Antibiotika-Resistenzen. Betroffen ist die gesamte Nahrungsmittelkette – und alle die damit zu tun haben: Die Landwirtschaft, die Tiere, der Boden, das Wasser, die Bauern und Bäuerinnen, die Angestellten, die Verarbeiter, die KonsumentInnen und schlussendlich auch die PatientInnen in den Spitälern, sprich die gesamte Bevölkerung. Das Thema wird fast jährlich aufgegriffen. Zu beobachten ist allerdings, dass der Ball gerne von der Humanmedizin – zur Veterinärmedizin – zu der Landwirtschaft und wieder zurück gespielt wird.
Die groupe de réflexion Uniterre Zürich/Winterthur hat ein Thesenpapier zum Thema Antibiotika veröffentlicht, das wir hier gerne mit Ihnen teilen möchten:
Antibiotika in der Tiermast gefährden unsere Gesundheit
Stetig steigender Kostendruck, immer grössere Mastställe und immer mehr Tiertransporte führen zu einer Überforderung des Immunsystems der Tiere. Auf Grund des Kostendrucks werden die Grenzen der Natur mit Antibiotika übergangen, zum Beispiel indem Medikamente direkt unter das Futter gemischt werden. Diese regelmässige Anwendung im Tierfutter „züchtet“ antibiotikaresistente Bakterien, was zur Folge hat, dass Antibiotika beim Menschen wirkungslos werden können. Es bilden sich im Nahrungsmittelkreislauf resistente Keime, die sich heute im Boden, im Wasser, in Spitälern und schlussendlich im Körper des Menschen nachweisen lassen. Diese Keime sprechen auf keine Therapien mehr an – eine einfache Infektion kann in Zukunft immer häufiger tödlich verlaufen. Das ist nur eines der tragischen Ergebnisse des Trends zum „Immer billiger“, welches wir unseren Nachkommen hinterlassen.
Es stellt sich die Frage, ob die Koexistenz einer industriellen Landwirtschaft mit einer naturnahen und tierfreundlichen Landwirtschaft möglich ist, würde es doch absolut getrennte Warenflüsse mit noch höheren Hygienestandards bedingen.
Die Landwirtschaft ist allerdings nur ein Teilaspekt der Problematik, welchen wir beleuchten wollen.
Uniterre Zürich lädt deshalb alle Betroffenen ein, sich an einer grundlegenden Neuorientierung zu beteiligen. Unsere Thesen sind als Diskussionsbeitrag und Einladung gedacht.
- Antibiotika sind wertvolle Medikamente, die nur in absoluten Ausnahmefällen eingesetzt werden dürfen.
- Die heutige intensive Poulet- und Kälbermast wäre ohne präventiven Einsatz von Antibiotika gar nicht möglich.
- Die Tierhaltungen müssen so gestaltet werden, dass auf den präventiven Einsatz von Antibiotika verzichtet werden kann. Vielfältige Bauernhöfe mit mehreren Betriebszweigen und intakten Kreisläufen bieten realistische Alternativen.
- Das Wohlergehen der Tiere, eine artgerechte Haltung und Fütterung haben Vorrang vor Leistungssteigerungen zur Gewinnmaximierung. Die Konsumierenden müssen dies mit einem fairen Preis unterstützen.
- Die Züchtung von Tieren muss insbesondere auf gute Raufutterverwertung, Robustheit, Langlebigkeit und Vielfalt ausgerichtet sein.
- Tierärztinnen und Tierärzte, Bauern und Bäuerinnen müssen einen Verhaltenskodex zur Minimierung des Antibiotika-Einsatzes unterzeichnen.
- Eine genauere Deklaration über den Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin sollte auch den KonsumentInnen zugänglich gemacht werden.
- KonsumentInnen müssen von Grossverteilern und Metzgereien über die Tierhaltung und den Medikamenteneinsatz transparent informiert sein.
Unser Landwirtschafts- und Ernährungssystem betrifft uns alle. Ein Richtungswechsel ist nötig, weshalb die Haltung von Nutztieren nicht weiter industrialisiert werden darf: Konsumentinnen und Konsumenten, Bäuerinnen und Bauern sowie Grossverteiler müssen an ihrem Ort Verantwortung übernehmen:
Zum Beispiel indem wir uns einsetzen:
- Insbesondere für eine grasbasierte Tierfütterung (kein Importfutter)
- Für artgerechte Tierhaltung
- Für eine fleischarme Küche
- Für den Konsum regionaler Produkte
- Für faire Preise (und damit auch faire Arbeitsbedingungen)
- Für die Förderung der Alternativmedizin für Nutztiere
Pressemitteilung von uniterre vom 12.4.12 >>>
Weitere Links zum Thema:
-
Antibiotika auf Pharmawiki >>>
- Genfersee: Antibiotikaresistenzen auf dem Vormarsch. eawag, 22.3.2012 >>>
- Antibiotikaresistente Keime im Schweizer Poulets. Kassensturz, 20.3.2012 >>>
- Neue Gefahren aus der Landwirtschaft. Tagesschau vom 8.3.2012 >>>
- Antibiotika, Neue Gefahren. Rundschau vom 07.03.2012: