Essgewohnheiten ändern
Am 16. Oktober haben wir in Zürich das Thema Essverhalten vertieft und geübt. Neben einem wunderbaren vegetarischen und teilweise veganen Buffet (Link zum Menu →), von Küchenchef Davide Bösch, vom Debatierhaus “ Karl der Grosse“, kreiert und vorgestellt, haben wir uns die folgenden Fragen gestellt: Wie können Menschen ihre Essgewohnheiten verändern? Welche Bildungsangebote für nachhaltige Ernährung sind erfolgreich und wer kann Ernährungsbildung im öffentlichen Raum anbieten?
Die «Panetary Health Diet» der EAT-Lancet Kommission zeigt auf, dass wir die Umwelt und unseren Planeten schützen, wenn wir uns nachhaltig ernähren. Das ist schon mal eine sehr gute Nachricht! Wir brauchen im Endeffekt nur unsere Essgewohnheiten zu ändern, um die Welt zu retten. Wer macht mit?
Essgewohnheiten ändern: von der Theorie zur Praxis
Christine Brombach, Ernährungswissenschaftlerin und Dozentin ZHAW, und Franziska Stöckli, Lehrerin und Autorin Kochbuch greentopf, arbeiten zusammen, um diese neue Welt zu schaffen. Franziska ermutigt als Lehrerin Jugendliche, Akteure und Akteurinnen ihres Alltags zu werden: Entscheidungen zu treffen, um das eigene Potential für Veränderungen zu erkennen. Ihr Ziel ist es nicht, zu missionieren oder zu politisieren, sondern ihr Wissen in Schulklassen oder Haushalte zu übermitteln, um so die Schüler*innen mit Kenntnissen auszustatten und einen strukturellen Wandel anzustossen.
Sie ist überzeugt davon, und das ist eine Erkenntnis dieser Veranstaltungsreihe, dass Essverhalten, wenn es nicht mehr zu Hause erlernt wird – aus Mangel an Geduld oder Zeit, wer weiss – es in Schulen vermittelt werden sollte.
Christine, als Ernährungswissenschaftlerin, unterstützt die Praxisarbeit von Franziska mit den Ergebnissen ihrer Recherchen und stellt uns dar, welches die Konsequenzen unseres Essverhaltens sind. Zwar ist die Datengrundlage zu privaten Haushalten sehr dünn, aber wir wissen, dass in der Schweiz im Durchschnitt ungefähr 30 Minuten pro Tag gekocht wird (in der Romandie etwas länger). Gleichzeitig wird im Durchschnitt 240 Mal pro Tag ein Ess- oder Trinkverhalten entschieden!! Was für ein komplexes, täglich belastendes Thema. Wir wissen viel über unser Essen, was gesund für uns sein könnte, was nachhaltig für die Erde wäre… ja aber entschieden, wird es nicht nur rational, sondern vor allem intuitiv und emotional! Wie haben wir Einfluss auf diese täglichen 240 Entscheidungen mit all ihren Konsequenzen?
Prinzipiell haben wir 2 Wege: entweder verändert sich die Umgebung, das heisst, Politik und Wirtschaft werden aktiv mit konkreten Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit, oder es wird direkt in das Verhalten des Konsumenten*innen eingegriffen. Dieser zweite Weg hat viel mit Prävention und Erziehung zu tun und es ist ein langer Weg, der viel Mut, Geduld und Liebe verlangt. Viele, die bei der Veranstaltung in Zürich teilgenommen haben, bevorzugen diesen zweiten Weg und haben tolle und wirkungsvolle Methoden entwickelt und vorgestellt (siehe Poster).
Christine spricht von “Nudging”, Anstupsen. Im Kern handelt es sich dabei um eine Strategie zur gezielten Verhaltensänderung von Menschen. Erfolgreiches Nudging geschieht ohne Druck, Verbote oder das Verändern von ökonomischen Rahmenbedingungen. Der Staat und die Gesetzgebung könnten auch durchaus Nudges nutzen, um uns die “richtige” Richtung zu stupsen und zu entsprechenden Entscheidungen zu führen.
Als Mensch haben wir die Aufgabe uns zu ernähren,,für uns selbst und auch manchmal für andere. Christine nennt das “Daseinsvorsorge”. Und wer bringt uns in der heutigen Welt diese Daseinsvorsorge und die Konsequenzen daraus bei? Unsere Eltern zu Hause? Häufig wird dieser Teil der Erziehung an die Schule delegiert. Dieses Thema wird nicht debattiert, sondern als Fakt angenommen und die Schlussfolge daraus: Wenn wir unser Essverhalten effektiv ändern wollen, müssen Bildungseinrichtungen das Thema in Angriff nehmen! Es geht um den Transfer von Handlungskompetenzen, die Wandlung von Wissen zu Können, die Reflexion zum Thema Nachhaltigkeit und Gesundheit der Menschen, der Tieren und der Erde. Mit dem romantischen Ansatz „Wir kochen wieder zusammen zu Hause Omas Rezepte” werden wir nicht weiterkommen, in einem Land, wo immer weniger Geld fürs Essen (zu Hause) verbraucht wird (8% eines durchschnittlichen Haushaltsbudet im Jahr 2022) und die Zeit zur Selbstvorsorge immer mehr reduziert wird.
Wir laden Sie ein, die kleinen Schritte zu lesen, die Franziska und Christine für uns gelistet haben (Link zu ihrer Präsentation (Folie 28) →). Vielleicht finden Sie ein paar Anregungen, die auch Sie umgehend angehen können.
Eine neue Essgewohnheit einführen: Workshop mit „Dialog im Quartier“
Die zwei Botschafterinnen Melanie Paschke und Dubravka Vrdoljak wollen real umsetzbaren Handlungen und organisieren Veranstaltungen mit konkreten Übungen, in Schulen und Quartieren, damit wir uns die richtigen Fragen zu unserem Essverhalten stellen und Schritt für Schritt neue Essgewohnheiten etablieren.
Ähnlich wie bei den “anonymen Alkoholikern” werden die Teilnehmer*innen durch Übungen und Tischgespräche dazu aufgefordert, ihr persönliches Verhalten zum Essen zu äussern und damit eine Selbstreflexion zu ermöglichen, die Schritt für Schritt zur Veränderung der Essgewohnheiten führen wird. Die Freude, Gleichgesinnte zu treffen, mit denen man sich zu diesem wesentlichen Thema der Ernährung austauschen kann, ist gross und die Gespräche wirken oft sehr beruhigend, motivierend und sinnvoll. Durch die Dialoge im Quartier werden konkrete Hilfestellungen ermittelt, die für die 240 täglichen Entscheidungen eine Orientierung bieten. Es wurde uns zum Beispiel gezeigt, welches die grössten Hebel auf die Umwelt sind: am wirkungsvollsten ist die Reduzierung unser Fleischkonsums. Generell wäre ein massvollerer Konsum von Genussmittel umweltfreundlicher und natürlich auch die Reduzierung von Foodwaste. Was tatsächlich in der Schweiz besonders erschreckend ist: die Hälfte der landwirtschaftlichen Produkte wird weggeschmissen.
„Dialog im Quartier“ sieht die Verhaltensänderung als Prozess, der Zeit braucht und durch verschiedene Phasen läuft: als Erstes findet eine Vorüberlegung statt (“etwas geht nicht, was will ich ändern”), dann fängt eine Überlegung an (“Was kann ich tun?”), danach folgt eine mögliche Handlung (“ab morgen mache ich diesen kleinen Schritt”) und schlussendlich installiert sich eine Gewohnheit (“Ich stehe dazu und mein Umfeld unterstützt mich”).
Wichtig ist vor allem, erstmal in kleinen Schritten zu denken. Pläne scheitern nämlich oft, weil zuviel auf einmal gewollt wurde. Lieber “Microhabits” bevorzugen, die realistisch sind und sich auch eine Belohnung zu gönnen, wenn diese geschafft wurden. Empfohlen wird auch eine neue Gewohnheit, gleich an eine ältere anzuknüpfen, um den Prozess zu begünstigen, um dauerhafte Veränderungen einfacher zu etablieren.
Zahlreiche Initiativen rund um Zürich
Ernährungsbildung findet überall statt (Medien, Detailhandel, öffentlichen Raum, Arbeitsplatz, Schule, Elternhaus…). Zahlreiche Vereine und Kampagne stellten sich an der Veranstaltung vor und zeigten auf, wie kreativ, vielfältig und hoffnungsvoll Zürcher Bevölkerung ist und erweitern so unseren Werkzeugkasten zur Ernährungsbildung.
Ein 3 gängiges Menü wurde offeriert
Besuchen Sie die virtuelle Ausstellung →
Klicken Sie zu den folgenden Initiativen, lassen Sie sich inspirieren und das Wasser im Mund zusammenlaufen!
- Sensibilisieren mit Biovision Clever, Foodsave-Bankette, FoodTalks, Gourmagine, Klima à la Carte Stadt Zürich, Wandle Dich – Mahl!, Gebana
- Neues Lernen mit Greentopf Projects éducation21, GemüseAckerdemie, Koch Coaching (Kochevents.ch), LimeTreeCamp, Dialog im Quartier, Weltacker Schweiz
- Ko-kreierenmit Transfoodmation, Fair Trade Town, Grassrouted, Koopernikus, Social Gastronomy Movement, Open Food Network