Wie selbstbestimmt sind KonsumentInnen?
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Wie selbstbestimmt sind KonsumenInnen zwischen Globalisierung der Nahrungsmittelproduktion und den Möglichkeiten der Vertragslandwirtschaft?“ zur SVIL-Tagung vom 2.Juni 17.
Wir leben nicht auf einer Insel
Wir sind vernetzt und abhängig. Egal, ob wir unseren Menuplan auf die Wochenlieferung eines Gemeinschaftsprojekts oder das Angebot eines Grossverteilers stützen: Als letztes Glied der Lebensmittelkette bestimmen wir nicht allein, was auf unseren Tisch kommt. Als Endverbraucher übernehmen wir die gesamten Folgen, angefangen bei den Abhängigkeiten der Produzenten von ihren Zulieferern, Technik, staatlicher Unterstützung, Vermarktungsmöglichkeiten, usw. die sie bei ihrer Produktion berücksichtigen müssen, bis hin zu den Kompromissen der Verteiler, die sie eingehen zu Gunsten von Wertschöpfung und Profit.
Seit dem Urknall dehnt sich das Universum aus und bleibt dennoch ein in sich geschlossenes System. Ein Ganzes, in dem nichts Neues entsteht, sich aber alles verschieben, trennen, neu kombinieren und zusammensetzen kann. Dabei sucht alles das Gleichgewicht mit sich selber und einander.
Diese dynamische Ordnung wird seit 3000 Jahren als Symbol von 阴 (yin)und 阳 (yang) dargestellt. Wir kennen es alle und es ist auch hier gültig: Zum Beispiel ist die Lebensqualität ein Gleichgewicht von Gesundheit und Genuss. Und ein bisschen weiter gefasst: Wachstum braucht Konsum, Konsum braucht Geld, Geld macht abhängig und bringt Macht. In andern Worten: Das Wachstum der Grossverteiler baut ihre Macht aus, auf Kosten der Selbstbestimmung der KonsumentInnen.
Will ich als Kundin trotzdem selber bestimmen, oder wenigstens mitbestimmen, was auf meinen Teller kommt, muss ich aktiv werden und Eigenverantwortung übernehmen, da das aktuelle System gegenläufig ist. Und aktiv werde ich nur, wenn ich meine Selbstbestimmung wichtig genug finde, um aus meinem Hamsterrad auszubrechen.
Lebensqualität als Gleichgewicht von Genuss + Gesundheit
„Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung“, wird Hippokrates zitiert. „durch eine natürliche, vielseitige, standortangepasste und ausgeglichene Ernährung, wie sie die hiesige, bäuerliche Landwirtschaft bietet“, ist man versucht, anzufügen.
Wir wissen, dass Glyphosat krebsfördernd, Aspartam giftig, UHT-Milch ungesund ist. Es ist ebenfalls bekannt, dass ein Gemüseabo nicht mehr kostet als ein Parkplatz in der Stadt. Aber der Mensch ist ein Gewohnheits- und Herdentier, tut sich schwer, neue Wege einzuschlagen und hinterfragt ungern die Berichterstattung renommierter Medien.
Auch wenn Essen nicht mein Hobby ist – meine Gesundheit wird zu einem grossen Teil (siehe oben) von meiner Nahrung zumindest mitbestimmt. Berücksichtigt man neben der Gesundheit auch den Genuss, den frische, natürliche Lebensmittel bereiten, gibt das Ganze Lebensqualität. Wie sehr ich diese beeinflussen will, widerspiegelt sich im Engagement, das ich bereit bin, für „meine Nahrungsmittelkette“ zu übernehmen. Die Auswahl ist gross – je nachdem, welches Geschäftsmodell zu mir passt und wie viel Risiko ich bereit bin mitzutragen. So quasi als Einsteigermodell empfielt sich die „Solidarische Landwirtschaft“.
«Als Konsumentin kann ich mitbestimmen, wie viel Selbstbestimmung ich in meiner Ernährung will.»
Kaum ein Vertragslandwirtschaftsprojekt ist wie das andere: Es gibt verschiedene Gemüsegenossenschaften, Selbstpflück-Acker, Milchabos und Käsebanken, Abonnements für Grundnahrungsmittel aber auch Bestellungen-on-line. Die einen holt man ab, die andern werden geliefert, an eine Sammelstelle oder sogar direkt ins Haus. Die einen bezahlen sich mit Geld, bei andern besteht der Preis aus Geld und Mitarbeit.
Als Konsumentin kann ich mitbestimmen, wie viel Selbstbestimmung ich in meiner Ernährung will.
Résultat garanti: Engagement bringt Zufriedenheit
Eine natürliche bäuerliche Landwirtschaft fördert die Volksgesundheit und schont die Umwelt. Aber sie braucht gerechte Preise. Teilen wir das Risiko, setzen wir uns ein für kurze, transparente Kreisläufe mit fairen Preisen für alle. Das Resultat ist garanti: Engagierte KonsumentInnen sind zufriedener sind als ihre Schnäppchen-jagenden KollegInnen.
Ebenfalls nachgewiesen ist, direkt auf dem Hof einzukaufen ist nicht teurer als die „gleiche“ Qualität beim Grossverteiler. Um die Endverbrauchinnen und Endverbraucher darüber zu informieren braucht es Transparenz statt Desinformation.
Deshalb plädiere ich für einen Informations-‰, am Beispiel des Kulturprozents. Verteiler können freiwillig mitmachen und man kreiert Infospots zu den in den Läden angebotenen Nahrungsmitteln. Damit die KundInnen informiert einkaufen können. Bis diese Utopie mehrheitsfähig ist, engagiere ich mich für ein JA zur Realwirtschaft, JA für ein selbstbestimmtes Leben, JA für Lebensqualität, zur Landwirtschaft, Selbstbestimmung und Lebensqualität.
Kenne Deine Bäuerin und geniesse, was das Feld anbietet
Anerkennen wir, die Ziele von Freiem Handel heissen M wie Marktanteile, Margen und Macht. Wir KonsumentInnen sind dabei einfach M, sprich Mittel zum Zweck.
Akzeptieren wir, Freihandel ist für die bäuerliche Landwirtschaft zu komplex und ihre Mengen zu klein, um in der grossen Welt mitzuspielen. Für unsere lokale Ernährung dagegen spielen die Bäuerinnen und Bauern die wichtigste Rolle, denn sie stellen unsere Lebensmittel – unsere Mittel zum Leben – her.
Gut gibts die Schweizer Bauern heisst ein SBV-Slogan. Ergänzen wir ihn mit für Uns und Euch – für alle, weil wir es uns wert sind.