Die 2. Generation der Schäferei Petit-Boutavant in Vaulion (VD)
Vorstellung der Schäferei
Vor rund 25 Jahren wagten sich Colette und Luc Rempe sowie Pascal Viande an eine kühne Herausforderung, in Petit-Boutavant. Auf einer 20 Hektar grossen Fläche, richteten sie eine Schäferei ein. Sie restaurierten die beiden Wohnhäuser, bauten den Stall in eine Schäferei um, legten eine Zufahrtsstrasse an und versorgten den Betrieb mit Wasser und Strom, eine immense Arbeit! Damit die beiden Familien davon leben können, haben sie den Teil der Milchproduktion ausgebaut, für den Pascal Viande verantwortlich ist, und den Teil der Käserei, um den sich Luc Rempe kümmert. Das Wagnis ist gelungen, beide Familien leben von ihrer Arbeit und haben im Laufe der Jahre eine neue Schäferei aus lokalem Holz und eine Käserei gebaut. Derzeit entwickelt die zweite Generation einen neuen Sektor, nämlich Feinkost und Konditoreiprodukte.
Interview mit Aloïs Rempe, Sohn von Colette und Luc
Wie sieht dein beruflicher Werdegang aus?
Ich habe im Vallée de Joux eine Lehre als Konditor-Confiseur gemacht, in einem konventionellen Betrieb, der auf Kostensenkung ausgerichtet war. Ich habe also viel mit Pulvern gearbeitet, und das hat mir nicht gefallen. Dann konnte ich während zwei Saisons in Verbier arbeiten. Dort war der Standard höher, von hochklassiger Qualität, und ich musste fast alles neu erlernen. Ich habe mich durchgebissen und wieder Gefallen am Beruf gefunden, d.h. an der Qualität und daran, schöne Produkte herzustellen.
Danach hatte ich die Gelegenheit, in der Buvette des Croisettes (Vallée de Joux) ein Patisserie-Labor einzurichten. Das war eine sehr schöne Erfahrung mit viel Anerkennung. Wir haben für Hochzeiten und Geburtstage gebacken. Es war auch meine erste Erfahrung als Konditor in der Gastronomie, d. h. man hat die Arbeitszeiten der Küche und arbeitet mit den Köchen zusammen. Es war auch ein guter Prozess, um zu lernen, mit Stress umzugehen! Ich mochte die Gastronomie, aber mir fehlten die Fähigkeiten in der Bäckerei, also absolvierte ich ein Lehrjahr in Romainmôtier in einer Bäckerei, wieder mit Nachtschichten.
Danach verbrachte ich zwei Saisons in Crans-Montana (VS), als Chef-Pâtisserie im 5-Sterne-Hotel-Restaurant Le Chetzeron. Dort arbeiteten wir nur mit lokalen und saisonalen Produkten. Das war gehobene Küche für eine wohlhabende Kundschaft. Ich musste die Teams managen und wir arbeiteten viele Stunden. Aber die Umgebung war prächtig und abends, eher gegen 2 Uhr morgens, fuhr man mit den Skiern nach Montana hinunter, weil die Gondelbahn bereits geschlossen war.
Diese Erfahrung hat in mir den Wunsch geweckt, im ländlichen Raum zu arbeiten.
Was hat dich dazu bewogen, nach Petit-Boutavant zurückzukehren?
Es war die Nachricht von der Krankheit meiner Mutter. Wir sind alle nach Hause zurückgekehrt. Wir mussten meine Mutter in der Käserei und auf den Märkten vertreten. Ich habe den Beruf des Käsers entdeckt, es ist ein schöner Beruf, aber für meinen Geschmack etwas repetitiv, also habe ich nach der Herstellung angefangen, Produkte zu entwickeln, die ich auf dem Markt verkaufen konnte, um ein bisschen Geld zu verdienen. Ich habe den Dreikönigskuchen in einer herzhaften Version mit Produkten vom Bauernhof (Käse, Milch, Fleisch) neu interpretiert. Zunächst mietete ich ein Atelier in Romainmôtier und verkaufte meine Produktion auf dem Markt in Nyon am Stand des Petit-Boutavant. Das lief gut, ich profitierte auch von der treuen Kundschaft meiner Mutter.
Dann starb unsere Mutter im November 2020. Wir beendeten die Saison so gut wie möglich und begannen, über die Zukunft in Petit-Boutavant nachzudenken. Mein Vater hat sich eine Jurte gebaut und wir haben mit langjährigen Freund*Innen das Haus als Wohngemeinschaft übernommen. Gemeinsam mit der Familie und Freund*innen haben wir die ehemalige Schäferei in eine Catering-Werkstatt umgewandelt. Zurzeit sind wir acht Personen in der Wohngemeinschaft und einige helfen regelmässig auf Märkten aus.
Welche Produkte bietest du an?
Ich verwende die Produkte des Bauernhofs: Fleisch, Milch, Molke, Käse für die Blätterteiggebäck, Pasteten und Rillettes. Für die Patisserie ist es das Gleiche: Produkte vom Bauernhof und Früchte der Saison. Die Eier beziehe ich von einer Bauernfamilie in Montricher.
Wir sind auch auf Messen und Veranstaltungen vertreten, bieten Kebab und Hamburger an. Und ich möchte das Angebot an Backwaren ausbauen. An unseren Ständen gibt es rund 50 Produkte, zwischen Käse, Joghurt, Blätterteiggebäck, Pasteten, Rillettes, Frischfleisch und Backwaren.
Wie würdest du den Kern des Unternehmens beschreiben?
Wir haben auf dem aufgebaut, was die vorherige Generation eingeführt hat. Wir haben die Verwertung von sogenannten minderwertigen Fleischstücken verbessert. Wir verarbeiten das gesamte Tier. Dadurch mussten wir weder die Produktion noch den Viehbestand erhöhen! Ich biete auch Molkebrote an. Kurzum, wir versuchen, alle Nebenprodukte mit Blick auf Qualität und nicht auf Quantität zu verwerten. Dadurch konnten wir 2,5 zusätzliche Arbeitsplätze für Arbeitnehmer*innen schaffen.
Wir arbeiten viel, aber wir organisieren uns, um ruhigere Zeiten zu haben. Ich konzentriere die Produktion zum Beispiel auf die zweite Wochenhälfte, damit ich Zeit habe, alles zu organisieren und die Bestellungen aufzugeben. Ich bin immer auf Reisen gegangen zwischen den Jahreszeiten. Da wir in Petit-Boutavant alles direkt verkaufen, ohne Wiederverkäufer, können wir es uns leisten, drei Monate im Jahr zu schliessen, während die Schafe trächtig sind. Das ist sehr wichtig, da man sonst die Leidenschaft verliert.
« Mir fällt auf, dass die jungen Leute, bevor sie Eltern werden, sich nicht um das Essen kümmern, oder genauer gesagt, sie machen es nicht zu einer Priorität. »
Was sind eure Stärken und auf welche Schwierigkeiten stosst ihr?
Unsere Stärke liegt darin, dass wir eine breite Palette an Produkten haben, die biologisch, rückverfolgbar, lokal und saisonal sind. Es gibt keine Highlights, sondern Produkte, die sich mit den Jahreszeiten verwandeln.
Wir haben keine sehr hohen Nebenkosten, die Mieten sind niedrig, wir haben keine Miete für ein Verkaufslokal. Aber wir haben auch kleine Löhne.
Was die Schwierigkeiten betrifft, so stelle ich fest, dass die Menschen meiner Generation nicht mehr bereit sind, so viel zu arbeiten wie unsere Eltern es getan haben. Es gibt junge Leute, die kommen, die sich engagieren wollen, aber auf halbem Weg aufhören. Sie waren sich nicht bewusst, wie viele Stunden wir arbeiten müssen! Allein die Märkte sind Arbeit! Es ist schwierig, mittel- und langfristig Nachwuchs zu finden.
Auf der Seite der Kundschaft fällt mir auf, dass die jungen Leute, bevor sie Eltern werden, sich nicht um das Essen kümmern, oder genauer gesagt, sie machen es nicht zu einer Priorität, selbst wenn sie es sich leisten können. Sie wissen nicht mehr, wie man sich selbst etwas zu essen macht. Es ist eine Fast-Food-/Convenience-Generation. Man sieht sie nicht an unserem Marktstand! Das ist schade.