Stellungnahme
Wir sind Teil der Marktwirtschaft, eines unerbittlichen Systems, das vom Kolonialismus geerbt wurde. Ein System, das auf der Herrschaft der Grossen, Starken, Reichen über andere beruht; ein System, das den Planeten zerstört und die Ressourcen der lokalen Gemeinschaften plündert -angeblich zu ihrem Wohl, zu ihrer Entwicklung, zur Verbesserung ihrer Wirtschaft. In ganz Europa und auch in der Schweiz gab und gibt es Diskussionen und Analysen über den Kolonialismus und die Beteiligung der Schweiz. (siehe KOLONIAL, bis Jan 25 im Landesmuseum)
Warum sind die Wirtschaft und ihre politischen Verbündeten nicht in der Lage, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen? Sie sind (und wir mit ihnen) in einer Dystopie gefangen, die jeglichen Wandel „als schwarz und gefährlich“ darstellt. Dieses Narrativ verleiht ihnen „totale Autorität (…) über Menschen, die so ihren „freien Willen“ nicht mehr ausüben können. Resultat: «die Kommunikation der Menschen untereinander ist … gestört und das Bewusstsein der eigenen Geschichte oder eigener Werte gekappt.» (↵)
Diese Unfähigkeit, sich selbst zu hinterfragen und aus der Vergangenheit zu lernen, ist fatal. Wir schliessen weiterhin Verträge und Handelsabkommen ab, deren Hauptziel es ist, den Wohlstand der Schweiz zu fördern. Zu welchem Preis? Wie wichtig sind uns die Menschen und Menschenrechte, die Umwelt und das Klima, Entwaldung, Landgrabbing, Umweltverschmutzung, Armut, Migration…?
Zum Glück setzen NGOs, Wissenschafter*innen und die Zivilgesellschaft die Wirtschaft und Politik unter Druck, indem sie eine transparentere Aussenpolitik und demokratischere Handelsabkommen fordern. Rote Linien dabei sind, dass von unseren Partnern nichts verlangt werden kann, was nicht in der Schweiz selber verlangt wird (also keine Doppelstandards in den Freihandelsabkommen) und dass Menschenrecht, Umwelt und Klima respektiert werden.(↵
In der Tat könnten wir in der Schweiz unsere Handelspolitik leicht so anpassen, dass sie mit dem Völkerrecht, der Europäischen Menschenrechtskonvention, den Zielen für nachhaltige Entwicklung und der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der Bauern und Bäuerinnen und anderer in ländlichen Gebieten tätiger Personen in Einklang steht.
Aber auch innenpolitisch spielen Kräfte mit der Angst und beschwören angeblich schädliche Folgen für jede vorgeschlagene Veränderung herauf. Seit sich agrarinfo.ch im Jahr 2018 für die Initiative für Ernährungssouveränität engagierte bis zur Biodiversitätsinitiative, die diesen Sommer bachab ging: Initiativen werden regelmässig von den eingangs erwähnten Kräften (dem Bauernverband, Fenaco, die Lebensmittelindustrie und die grossen Einzelhandelsunternehmen dysthopisch bekämpft. Die Argumente sind meist die gleichen: Eine Veränderung würde „höhere Lebensmittelpreise, weniger Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher, Marktabschottung oder eine Reduktion des Selbstversorgungsgrades“ bewirken(↵)
Die Initiativen der letzten Jahre zu Agrar- und Lebensmittelthemen waren dennoch sinnvoll: Durch sie wurde die Diskussion in die breite Öffentlichkeit getragen und ein Stück weit in Bewegung gebracht. Das Referendum gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien zum Beispiel bewirkte, dass die FHA-Verhandslungsführer vermehrt die Meinungen von NGOs abholen. Lies: Wir dürfen nicht nachlassen! In der Schweiz und in der Welt gibt es sehr interessante Projekte. Wir müssen darüber sprechen und ausgehend von diesen Erfahrungen ein tragendes Narrativ entwickeln, um die Esser*innen zu mobilisieren, lokale Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen zu mobilisieren, um das Ernährungssystem auf kommunaler und kantonaler Ebene zu verändern und um kurze Lebensmittelketten „ausserhalb des Marktes“ zu schaffen(↵)