Profitable Rohstoffknappheit
Die Düngemittelkonzerne schlagen hemmungslos obszöne Profite aus internationalen Krisen. Auf Kosten der Ernährungssicherheit, Menschen und Umwelt.
Einleitung
Höhere Produktionskosten
Schon zu Beginn der Coronakrise gingen Fachkreise und Analysten davon aus, dass die Düngemittelproduzenten, trotz Nahrungsmittelkrise, paradoxerweise Rekordgewinne einfahren würden. Obwohl die Preise für die Rohstoffe massiv anzogen. Schon 2021 stiegen die Preise für Kalium und Stickstoff, die Hauptrohstoffe für Kunstdünger, dank der grossen Nachfrage aus China, Indien und Brasilien und den damals schon spürbaren Engpässen in der Lieferlogistik tüchtig an. Unter anderem weil ältere Stickstoffwerke in Europa wegen der hohen Energiekosten vorübergehend stillgelegt werden mussten und damit das Angebot verknappt wurde.
Trotzdem Rekordgewinne
Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt stellte sich bei der Bekanntgabe der Umsatzzahlen des letzten Jahres heraus, dass die 9 weltweit grössten Düngemittelproduzenten die höheren Produktionskosten nicht einfach auf die Preise schlugen. Auf dem Buckel der ohnehin gebeutelten Nahrungsmittelproduzenten erhöhten sie die Preise so massiv, dass sie 2022 ihre Gewinnmargen im Vergleich zu den Vorjahren sage und schreibe mehr als verdreifachten. Entsprechend gingen die Aktien der grossen der Düngemittelhersteller und die Absatzpreise ihrer Produkte regelrecht durch die Decke, während – insbesondere Kleinbauern – ums nackte Überleben kämpften.
Gewinne mehr als Verdreifacht
Im Fünfjahresvergleich zeigte sich, dass die Gesamtgewinne der Düngemittelkonzerne von durchschnittlich 14 Milliarden pro Jahr vor der Covid-Krise schon während der Covid-Pandemie auf 28 Milliarden Dollar im 2021 und sagenhafte 49 Milliarden im 2022 gesteigert hat. Nicht, dass es der Branche vorher schlecht gegangen wäre.
Internationale Organisationen wie die Weltbank führten den Anstieg der Düngemittelpreise allein auf den Krieg in der Ukraine zurück. Wie der Schweizer Bauernverband vermeldet, erreichten die Preise für Harnstoff und Triplesuperphosphat gegen Ende 2021 ein Niveau, welches seit der Hochpreisphase von 2008 nie mehr erreicht worden war. 2022 fing, so der Bauernverband, auch der Preis für Kaliumchlorid schlagartig zu steigen an.
Die Düngerpreise werden durch die erhöhten Energiekosten in die Höhe getrieben, doch auch wenn die hohen Preise für Erdgas, das für die Produktion von Stickstoffdünger notwendig ist, ein Faktor für höhere Produktionskosten war: Die Düngemittelkonzerne nutzten offensichtlich ihre faktische Monopolmacht, um die Preise massiv über die gestiegenen Produktionskosten zu erhöhen. Allein im letzten Jahr um satte 36%.
Peak erreicht
Zwar gibt es Anzeichen, dass die Preisspirale sich nicht weiter nach oben drehen lässt. Börsenanalysten gehen mehrheitlich gar von einem drohenden Preisverfall zumindest bei den Harnstoffbasierten Düngemitteln aus. Dennoch beklagen sich Landwirte und Landwirtinnen von Afrika bis Amerika darüber, dass sie immer noch dreimal so viel für Düngemittel ausgeben, wie noch vor einigen Jahren. Besonders betroffen von den hohen Preisen sind Bäuerinnen und Bauern in Abhängigkeit von grossen Agrokonzernen, die ihnen per Knebelvertrag auch Saatgut und Pestizide, sowie intensive Anbaumethoden mit entsprechend hohem Kunstdüngerbedarf aufzwingen. Die hohen Preise trieben viele Landwirte noch tiefer in die Verschuldung und zwang sie, den Düngemitteleinsatz einzuschränken, was zu niedrigeren Erträgen, weniger Einnahmen und global weniger Lebensmitteln führte. Ein Teufelskreis.
Nicht nur Landwirtschaftsbetriebe, ganze Nationen geraten durch die hohen Düngerpreise in finanzielle Krisen. Insbesondere Länder, die Düngemittel stark subventionieren, mussten sich enorme zusätzliche Schulden aufbürden. In Indien zum Beispiel stiegen die Regierungsausgaben für Düngersubventionen im letzten Jahr von 9,8 auf 17,1 Milliarden Dollar. Geld, das anderorts dringend benötigt würde. Den höchsten Preis zahlen am Schluss die letzten in der Nahrungskette: Die Menschen, die ohnehin kaum das Geld für ihr tägliches Brot zusammenbringen. Sie müssen sich die Megaprofite der Düngemittelindustrie regelrecht vom Mund absparen, da die Entwicklung zwangsläufig zu höheren Lebensmittelpreisen führt, die zusätzlich von Börsenspekulationen in die Höhe getrieben werden.
Schnelle Profite mit Umweltgiften
Zudem zahlen wir mit den hohen Düngemittelpreisen unter dem Strich als Konsumentinnen und Konsumenten auch noch für die Zerstörung unserer Lebensräume. Chemische Düngemittel sind eine der Hauptursachen für die Zerstörung fruchtbaren Bodens, Vergiftung unserer Gewässer und Treibhausgasemissionen. Allein der Stickstoffdünger ist für eine von 40 Tonnen der jährlichen Emissionen verantwortlich. Neue Berichte der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen machen deutlich, dass eine drastische und sofortige Reduzierung des weltweiten Düngemittelverbrauchs erforderlich ist, um den katastrophalen Klimawandel abzuwenden. Sie empfehlen einen nahezu vollständigen Ausstieg aus dem Stickstoffdüngerverbrauch bis 2050. Ein sofortiges Verbot von Stickstoffdünger wäre freilich Unsinn. Es geht, wie wir immer wieder betonen, um einen geplanten und schrittweisen Übergang zu nachhaltigen, agrarökologischen Landwirtschaftssystemen, um drastische Einbrüche bei den Lebensmittelerträgen zu vermeiden.
Aber die Gier und offensichtliche ökonomische und politische Macht der Grosskonzerne sabotiert mittelfristig weltweit das gesamte Lebensmittelsystem – von Düngemitteln über die Verarbeitung bis zum Einzelhandel – um auf Kosten von Mensch und Umwelt die Preise in die Höhe zu treiben und auch noch aus der tragischsten Krise Profite zu schlagen.
Die 10 grössten Düngemittelkonzerne (Produktion pro Jahr):
- Nutrien, Kanada (34 Mio Tonnen)
- Mosaic, USA (23 Mio Tonnen)
- Uralkali, Russische Föderation (14 Mio Tonnen)
- Belaruskali, Belarus (13.5 Mio Tonnen)
- OCP, Marrokko (12 Mio Tonnen)
- CF-Industries, USA (9.5 Mio Tonnen)
- Yara, Norwegen (9 Mio Tonnen)
- Ma´aden, USA (5.5 Mio Tonnen)
- K&S, BRD (5.5 Mio Tonnen)
- ICL, Israel (5 Mio Tonnen)
Dieser Text beruht auf Recherchen von agrarinfo.ch und der Umweltorganisation GRAIN. GRAIN ist eine kleine internationale Non-Profit-Organisation, die Kleinbauern und soziale Bewegungen in ihren Kämpfen für gemeinschaftlich kontrollierte und auf Biodiversität basierende Lebensmittelsysteme unterstützt.
Links:
- GRAIN: A corporate cartel fertilises food inflation
- Corporate Europe Observatory: Big Toxics and their lobby firepower
- Rural 21 – The International Journal for Rural Development: Agrifood prices, food security and the role of trade