Tue Gutes und verdiene daran!
Mit Lebensmittelsäcken für Bedürftige wird Migros nicht nur bequem überschüssige Produkte los und poliert ihr Image als Wohltäterin. Sie machen auch ein gutes Geschäft dabei.
Schon seit geraumer Zeit stehen Migros und Coop auch politisch unter Druck, etwas gegen Foodwaste zu unternehmen. Als sich mit der Coronakrise die Schlangen vor den Lebensmittel Verteilstellen, Tafeln und Suppenküchen verlängerten schienen ein Zusammenschluss der Hilfswerke und insbesondere die Migros das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Begleitet von einer breiten Imagekampagne liess Migros überschüssige Lebensmittel aussortieren und stellte sie Organisationen wie Tischlein deck dich, Schweizer Tafel, Tables du Rhône, Partage und Caritas zur Verfügung. Konkurrentin Coop Schweiz hält es ähnlich.
« Die Einzelhändler verdienen
grad vierfach an der Armut. »
Günstige Abfallentsorgung
Mittlerweile leben in der Schweiz acht Prozent der Wohnbevölkerung unter der Armutsgrenze und die massive Teuerung wird in den kommenden Monaten den Bedarf an Nahrungsmittelhilfen wohl noch vergrössern. Migros rühmt sich lautstark und bei jeder sich bietenden Gelegenheit, die Dachorganisation Food-Bridge sowohl mit Nahrungsmittelspenden als auch finanziell zu unterstützen, um Leid zu lindern und Foodwaste zu vermeiden. Doch ganz so edelmütig stellt sich das Engagement der Einzelhandelsgenossenschaft dann doch nicht dar. Und dank der Spenden kann die Migros munter weiter überproduzieren, ohne sich Gedanken über die Abfälle zu machen.
Grosser logistischer Aufwand für Helfende
Zudem sind die karitativen Organisationen regelrechte Dienstleister für die Grossverteiler. Laut Claudio Beretta, wissenschaftlichem Mitarbeiter für Food-Waste-Vermeidung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, bieten diese Organisationen den Detailhändlern eine Logistikdienstleistung, die eigentlich angemessen bezahlt werden müsste, was aber zur Zeit nicht der Fall sei. Die Entschädigungen, die die Hilfsorganisationen derzeit vom Handel erhalten, sind laut Beretta bei weitem nicht kostendeckend. Also auch nicht wirklich gratis. Für die Hilfsorganisationen ist die Organisation der Verteilung der Lebensmittelspenden ein gewaltiger logistischer Aufwand, für den es sowohl Geld als auch Arbeitskräfte braucht. Allein bei der Schweizer Tafel helfen über 200 Freiwillige und 35 Zivildienstleistende gratis, Lebensmittel einzusammeln. Ausserdem muss die Stiftung 17 Festangestellte aus verschiedenen Fachgebieten bezahlen. Kommt die Bewirtschaftung einer Flotte von 36 gekühlten Transportfahrzeugen hinzu. Laut Tafel-Geschäftsführer Ingold sei die Organisation kein Almosenempfänger, sondern würde den Unternehmen einen wertvollen Service liefern. Den Händlern bringen die Lebensmittelspenden noch andere Vorteile als die Auslagerung der Entsorgung. Sie können ihr Image aufpolieren. «Die Detailhändler nutzen Lebensmittelspenden auch als Marketinginstrument. Das können sie nur dank der Hilfe dieser Organisationen», sagt Beretta.
Gewinne durch Entsorgung
Die Detailhändler hingegen können sich die karitative Abfallentsorgung sogar vergolden lassen. Wenn die Empfänger das Gütesiegel von der Schweizerischen Zertifizierungsstelle für Non Profit Organisationen (Zewo)tragen, können auch Lebensmittelspenden je nach Kanton zum ursprünglichen Neupreis von den Steuern abgezogen werden. Wie hoch der Prozentsatz der Steuerabzüge ist, ist Kantonal unterschiedlich, beträgt aber im Landesdurchschnitt ca 20 Prozent vom Reingewinn. Im Kanton Baselland sogar bis zu 100 Prozent. So verdienen die Einzelhändler grad vierfach an der Armut. Sie können kostengünstig grosse Mengen «Abfall» entsorgen, machen weniger Verluste durch Überproduktion und fahren einen fetten Image-Bonus ein und könne erst noch erhebliche Steuersummen einsparen. Letztlich auf Kosten der, immer noch als randständige Bittsteller stigmatisierten Armen, die zunehmend zum wichtigen Marktsegment werden.
Links
Qualitätssiegel für gemeinnützige Organisationen: https://zewo.ch/de