Schon durch den Bruntlandbericht (1987↵) und spätestens mit der Klimakonferenz in Rio 1992 wurde der Begriff Nachhaltigkeit ein Haushaltwort. Mit den 17 „Sustainable Development Goals“ wurde Nachhaltigkeit auch zur Regierungssache. Trotzdem sind die Fortschritte (siehe „Glasgow ↵„) ungenügend. Wo ist das Problem? Und was hat die Landwirtschaft damit zu tun?
Nachhaltigkeit versus Wirtschaftswachstum
Fälle nicht mehr Bäume als nachwachsen können, denn es darf nicht mehr von etwas verbraucht werden, als vorhanden ist um die Grundlage für zukünftige Generationen aufrechtzuerhalten. So definierte Hannß Carl von Carlowitz vor dreihundert Jahren Nachhaltigkeit. ↵
Seither wurde unser Lebensstil sehr viel komplexer und die Definition von „nachhaltig“ präziser. Heute wird das als nachhaltig bezeichnet, was sozial, ökologisch und wirtschaftlich für die kommenden Generationen unverändert weiterführbar ist. Weil aber nichts und niemand unendlich wachsen kann, Wachstum also endlich ist, kann es kein nachhaltiges Wachstum geben. In andern Worten: Wirtschaftswachstum ist mit Nachhaltigkeit nicht vereinbar.
Diverse Bewegungen versuchen, Alternativen zum gegenwärtigen Wachstumsparadigma zu entwickeln und zu leben. Sie fordern die Abkehr von sinnleerem und ressourcenverschwendendem Konsum und betonen die Vorzüge von einem suffizienten Leben. Ein „gutes Leben“ ohne Wachstum? Das Lexikon der Nachhaltigkeit ↵ liefert eine Übersicht.
Die Landwirtschaft als Chance einer zukunftsfähigen Schweiz
Landwirtschaft wird mit erneuerbaren, biotischen Ressourcen betrieben. Wenn auch die während dem Produktionsprozess anfallenden Abfälle im ökologischen Kreislauf wieder aufgenommen werden, ist die Landwirtschaft nachhaltig.
Die Industrie arbeitet ebenfalls mit natürlichen, allerdings hauptsächlich mit mineralischen Ressourcen. Diese sind nichterneuerbar und die während dem Produktionsprozess passierenden Veränderungen irreversibel. Deshalb ist die Industrie nur beschränkt zukunftsfähig (abhängig vom Vorhandensein der mineralischen Ressourcen, dem Klimawandel, …).
„Nachhaltiger“ gibt es nicht. Entweder es ist etwas nachhaltig oder es ist eben nicht nachhaltig.
Landwirtschaft ist also nicht zurückgebliebener Problemfall, der „angepasst“ oder aufgelöst werden muss sondern wegen der erneuerbaren Ressourcen ein grundlegender Teil der zukunftsfähigen Gesellschaft. Aber sie ist durch die Natur bedingt (Boden, Klima, Frucht) arbeitsintensiv und, werden konsequent nur biotische Ressourcen benutzt, nur beschränkt wachstumsfähig.
Im Gegensatz dazu versucht die Nahrungsmittelindustrie aus Wachstumsdruck zur Steigerung der Wertschöpfung den Konsumenten verarbeitete Nahrungsmittel und Symbole zu verkaufen.
In andern Worten: aus wirtschaftlichen Gründen gefährden wir unsere ökologische Grundlage, die eigentliche Basis unserer Lebensqualität.
Ist das sinnvoll? Eine Antwort dazu gibt die SVIL in ihrer Schrift 135: Die Landwirtschaft als Chance einer zukunftsfähigen Schweiz →
Die industrielle Landwirtschaft ist für einen Grossteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich und damit das Gegenteil von nachhaltig. Das müsste nicht so sein, wenn die Landwirtschaft nicht in direktem monetären Wettbewerb mit der Industrie stünde. Die Analyse dazu von Prof. H.-C. Binswanger sel. ist bis heute aktuell und hier-verlinkt: Was geschieht mit unserer Landwirtschaft? →
Zwischen Nachhaltigkeit und Effizienz
„Es ist höchste Zeit, sich erneut, wie schon vor 100 Jahren, Gedanken zu den Potenzialen der bäuerlichen Landwirtschaft in der Industriegesellschaft zu machen“, fordert Historiker Dr. Peter Moser, Initiant und Leiter des Archivs für Agrargeschichte in Bern (↵). „Die Potenziale der bäuerlichen Landwirtschaft liegen –im Gegensatz zur Industrie und im Gegensatz zur industriellen Landwirtschaft – darin, dass sie in der Lage ist, lebende Ressourcen (Tiere und Pflanzen) mit Hilfe der Sonnenenergie auf der Bodengrundlage zu nutzen, d.h. im Produktionsprozess zu reproduzieren und nicht ’nur‘ zu verbrauchen.
Eine Fokussierung der Diskussion über bäuerliche Landwirtschaft auf das zu Vermeidende folgt letztlich einer industriellen Logik und behindert dadurch die kulturelle Weiterentwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft. Deshalb ist eine nachhaltige Landbewirtschaftung darauf angewiesen, dass die politischen Rahmenbedingungen den Potenzialen der bäuerlichen Landwirtschaft Rechnung tragen.“
Mit der freundlichen Erlaubnis des Autors verlinken wir den Beitrag „Zwischen Nachhaltigkeit und Effizienz“ →, zuerst erschienen im Kritischen Agrarberichts 2015 (↵) zu Agrarindustrie und Bäuerlichkeit.
Wie nachhaltig ist Ihr persönlicher Lebensstil?
Mit dem Global Ecological Footprint Network ↵ können Sie Ihren persönlichen ökologischen Fussabdruck online ausrechnen.