Fair-Fish
Einleitung
Der Verein fair-fisch setzt sich nicht nur für nachhaltigen Fischfang und -zucht ein, sondern auch für das Fischwohl und gerechte Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit für traditionelle (artisanale) Küsten und Binnenfischerei.
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die Weltmeere massiv überfischt sind. Im Jahr 2020 wurden dem Meer insgesamt zirka 78,79 Millionen Tonnen Lebewesen entnommen. Weltweit gelten viele Fischarten als überfischt. 57 Prozent der Fischbestände gelten zusätzlich bis an die Grenzen der Belastbarkeit ausgeschöpft. Die Zahl der ökologisch intakten Fischbestände schwindet stetig und mit zunehmendem Tempo. Mit am schlimmsten betroffen sind hiervon die artisanalen Küstenfischer in Afrika, Asien und Lateinamerika. Artisanale Fischerei ist das Gegenstück der Fischerei zur bäuerlichen Landwirtschaft. Die Tatsache, dass dieses Problem und das Tierwohl der Fische, sowohl bei Wildfang und Zucht, wenn überhaupt nur ungenügend von den Nachhaltigkeitslabels wie MSC, FOS etc. berücksichtigt werden, führte zur Entstehung von fair-fish.
Vom Hühner- zum Fischwohl
Alles begann eigentlich mit einer Freizeitbeschäftigung von Billo Heinzpeter Studer, damals noch Geschäftsleiter der Schweizer Tierschutzorganisation KAGfreiland. 1997 begann Studer nebenbei Richtlinien für tier- und umweltfreundliche Fischzuchten und Fischereikonzepte zu entwickeln.
2000 gründete er zusammen mit einigen Tierschutzorganisationen den Verein fair-fish. Daraus entstand ein Label, dass zunächst Schweizer Berufsfischern höhere Ankaufspreise im Gegenzug für schonenden Fischfang versprach. 2006 lancierte fair-fish ein Projekt im Senegal, um den dortigen Binnen- und Küstenfischern faire Preise für human und nachhaltig gefangene Fische zu garantieren, indem der afrikanische Fisch direkt ohne Zwischenhandel an europäische Einzelhandelsketten verkauft wurde. Doch der Verein fair-fish war zu klein und seiner Zeit voraus. Nach einigen Anfangserfolgen scheiterte das Projekt am mangelndem Interesse des hiesigen Einzelhandels und musste eingestellt werden.
Nicht unterzukriegen
Für fair-fish kein Grund aufzugeben. Als weltweit erste Organisation befasste sich fair-fish mit dem Thema humaner ökologischer Fischerei. fair-fish versuchte sich als das strengste Label für Fisch zu etablieren und setzt neue Massstäbe für verantwortungsbewussten Umgang und lebensnahe Qualität in Wildfang, Zucht und Verarbeitung, sowie soziale Arbeitsbedingungen, Existenzsicherung und fairen Handel.
Auch setzte sich fair-fish als einziges Label für das totale Verbot von Schleppnetzen ein. Zwar konnte sich fair-fish als Label wegen der strengen Massstäbe nicht durchsetzen, aber der Verein leistet wertvolle Informations- und Lobbyarbeit. fair-fish international unterstützt insbesondere die bedrängten senegalesischen Küstenfischer.
Hilfe für Sénégal
Fisch ist der wichtigste verbliebene Rohstoff des Senegal. An der artisanalen Fischerei und der kleinen Flotte senegalesischer Fischtrawler hängen 600’000 Arbeitsplätze. Aber dutzende ausländischer Fangschiffe bedienen sich bereits vor Senegals Küsten, darunter 38 allein aus Europa nebst Fangschiffen aus asiatischen Ländern und Russland. Die senegalesischen Fischer wehrten sich erfolgreich gegen ein Fischereiabkommen mit der EU und die Vergabe neuer Lizenzen an chinesische und türkische Schiffe. Sie kämpfen auch für die Wiederherstellung der artisanalen Fischerei in senegalesischen Gewässern – für fair-fish die einzig sinnvolle Art der Befischung. Während heute immer mehr der 10’000enden artisanalen Fischer mit leeren Netzen heimkehren, herrschte vor 60 Jahren der reinste Überfluss. Nach Ansicht von fair-fish würde die Wiederherstellung dieses Zustands dem Senegal Schub für eine nachhaltige Entwicklung geben. Um dies zu erreichen, müsste der fischereiliche Druck über vier Jahre halbiert werden. Einmal wiederhergestellte Bestände würden es ermöglichen, die Fischereierträge sogar über das heutige Volumen hinaus zu steigern, und zwar bei geringerem Aufwand, sofern die Regeln der nachhaltigen Fischerei eingehalten werden. Laut fair fish schafft die artisanale Fischerei 25 Mal mehr Arbeitsplätze und schont nachhaltig die Fische und ihre Lebensräume.
Forschung zur Fischzucht
Auch die Fischzucht hat fair-fish im Auge. 2012 entstand aus der mittlerweile mehrjährigen Auseinandersetzung mit den Veterinärbehörden über Mängel in der Verordnung und im Vollzug des Fischwohls in der Aquakultur die Idee, die weit verstreuten Studien zusammenzutragen, um für jede Fischart in Aquakulturen wissenschaftlich Begründete Empfehlungen zur Verbesserung des Wohls der Zuchtfische abgeben zu können. Die Online-Datenbank FishEthoBase entwickelte sich in wenigen Jahren in Zusammenarbeit mit Universitäten zu einem innovativen Projekt, das inzwischen sieben Personen mit Forschung und Beratung in verschiedenen Ländern beschäftigt und neue Massstäbe setzt. Und überraschenderweise bei den grossen Fischzuchten auf durchaus offene Ohren trifft, da Konsumentinnen und Konsumenten in Sachen Tierwohl zunehmend sensibilisierter sind.
Überfischung trotz Fischzucht
Gegen Fischzucht an sich ist nichts einzuwenden. Es gibt überall auf der Welt, speziell aber in Asien traditionelle Formen von Teichwirtschaft, die natürlich entstehenden Algen über Plankton bis zu Bodentieren als Fischfutter nutzen und dabei keine Energie ausser der Sonne brauchen. In Ostasien zum Beispiel werden die Reisfelder auch als Fischteiche genutzt, die vor der Austrocknung zur Ernte abgefischt werden. Allerdings ist diese zweckreiche Art der Kombinutzung rückläufig, da die industrielle Reisproduktion mit dem Einsatz von Pestiziden die Fischzucht verhindert. Das europäische Gegenstück ist der traditionelle Fischteich. Ausserdem bieten die Teiche Lebensräume für Insekten, Amphibien und Wasservögel. Ohne grossen Einsatz von Futtermitteln und ohne Antibiotika und Fungizide ist der Fischteich die nachhaltigste Aquakultur, wird aber vor allem von Angelvereinen oder Kleinproduzenten kultiviert, da die Fischindustrie hiermit zu wenig Profit machen würde. Diese investiert lieber in grosse, industriell geführte Aquakulturen. Zwar ist die Fischproduktion aus Aquakulturen zwischen 1960 und 2021 auf mittlerweile 126 Millionen Tonnen Fisch, Krustentiere, Muscheln und Algen gestiegen und Anteil der verzehrten Meerestiere zwischen 1970 und und 2021 laut Welternährungsorganisation von 4 auf ca 50 Prozent der Gesamtkonsumation gestiegen. Der Überfischung tut das aber keinen Abbruch.
Denn karnivore und omnivore Fische wie Lachs, Thunfisch, Forelle etc. werden mit Fischmehl und Fischöl gefüttert. Und für das Fischmehl graben sogenannte Gammelfischer mit schweren Grundschleppnetzen den Meeresgrund nach Sandaalen und anderem fetthaltigen Fischen ab. Dabei hinterlassen sie am Meeresgrund verwüstete Lebensräume und Laichgründe und natürlich landen abertausende von Tonnen guter Speisefischen als Beifang im Fischfutter. Schon 2006 frassen die Fische in Aquakulturen 70 Prozent der weltweiten Fischmehlproduktion und 90 Prozent des Fischöls. Was nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich unsinnig ist. Raubfische oder Shrimps aus der Zucht fressen zwischen dem 3 und 20-fachen des Ertrages an Fisch fressen, den sie selber auf den Teller bringen. Wenn schon Zuchtfisch beschränken machen vegetarische Arten wie Arten wie Karpfen, Tilapia oder Pangasius deutlich mehr Sinn.
Sinnvolle Richtlinien
fair-fish setzt eine Obergrenze für den Einsatz von Fischmehl und Fischöl in Aquafarmen. Für die Gewinnung von 1 kg Zuchtfisch (Lebendgewicht) dürfen höchstens 200 Gramm Wildfang (Lebendgewicht) eingesetzt werden. Das schliesst Aquafarming grosser Fleischfresser wie Thun oder Kalbeljau und auch Lachs, und fördert die betriebsnahe Verarbeitung von Zuchtfischen zu Filets, damit die Schlachtabfälle der Wiederverwertung als Fischfutter zugeführt werden können. Ausserdem fordert fair-fish Zuchtanlagen so zu gestalten, dass sie den realen Lebensbedingungen der Tiere in Freiheit möglichst ähnlich sind. Allerdings wissen wir weit weniger über die Lebensgewohnheiten und -bedingungen der meisten Fischarten, als wir über Landtiere wissen. fair-fish fordert daher, dass im Sinne des Verursacherprinzips von den Fischzüchtern finanzierte umfangreiche Forschungen und die Umsetzung der Ergebnisse in der Fischzucht.
Welchen Wildfisch kann man mit guten Gewissen essen?
- Fische nach fair-fish-Richtlinien: Die einzigen Fische, bei deren Gewinnung, der Tierschutz, die Nachhaltigkeit und der faire Handel gleichzeitig und streng berücksichtigt werden. Fische mit fair-fish-Label sind bis auf weiteres im Handel nicht erhältlich, da die Anforderungen streng sind(!). Die fair-fish-Richtlinien dienen aber als Messlatte für andere Labels.
- Fische mit dem Label von Friend of the Sea: Nachhaltig gefischt oder gezüchtet; aber ohne Berücksichtigung von Tierschutz und fairem Handel.
- Fische aus kleiner lokaler Berufsfischerei: Nein, die fair-fish-Anforderungen werden hier nicht erfüllt. Aber in der Regel wird hier rücksichtsvoller gefischt als im Meer üblich.
- Fische mit MSC -Label: Nachhaltig gefischt; aber ohne Berücksichtigung von Tierschutz und fairem Handel. Achtung: MSC erlaubt auch Grundschleppnetze (Hoki, Seehecht, Seelachs, Kabeljau/Dorsch) und die Befischung überfischter Arten (Pollock); diese Arten meiden.
Welche Zuchtfische kann man mit gutem Gewissen kaufen?
- Bevorzugen Sie Fische Fische, die ohne Fisch gefüttert werden können (pflanzen- oder allesfressende Arten wie Karpfen, Tilapia, Pangasius usw.)
- Seien Sie zurückhaltend bei Zuchtfischen, die mit Fisch gefüttert werden müssen (Raubfische wie Thun, Lachs, Forelle, Kabeljau, Wolfsbarsch, Steinbutt usw.)
- Bevorzugen Sie Filets (ca. 30% bis 70% des Fischgewichts), damit der Zuchtbetrieb die Schlachtabfälle zu Fischmehl für die Fütterung rezyklieren kann.
- Bevorzugen Sie Label-Fische
Links
Verein fair-fish: https://fair-fish.net/de/
arteTV: ARTE „Schmutziger Lachs: Zucht mit Folgen“ auf https://www.arte.tv/de/videos/113682-002-A/mit-offenen-daten/
patagonia films: A Salmon Nation https://www.youtube.com/watch?v=rfLBmMK1SAg
FAO Fisheries and Aquaculture Division (NFI): https://www.fao.org/fishery-aquaculture/en