Das Bauernjahr
Sinnreiche Tradition
Der Bauernberuf ist kein «9 to five-job». Nur logisch, dass gewisse Traditionen im bäuerlichen Leben und dem einhergehenden Erntezyklus bis heute verankert geblieben sind.
Bauernjahr-Kalenderjahr
Wenn überhaupt, kennen die meisten von uns den Begriff «Lichtmess» von alten Bauernregeln. Im christlichen Kalender ist Mariä Lichtmäss oder der 2.Februar das offizielle Ende der 40tägigen Weihnachtszeit und im Bauernkalender der Beginn des neuen Bauernjahres.
Das Bauernjahr orientiert sich nicht an unserem Kalenderjahr, sondern an den Wachstums- und Erntezyklen.
Entsprechend setzt das Bauernjahr – Zwischen dem Martinstag am 11. November und Lichtmess am 2. Februar, quasi aus, weil in dieser Zeit die Feldarbeit weitgehend ruhte.
Die verschiedenen Martinstraditionen zum Ende des Bauernjahrs zum Beispiel: Die Ernten sind eingebracht, Früchte und Wurzelgemüse werden für die kargen Wintermonate eingemacht und aus überzähligen Steckrüben oder ähnlichem werden Lichter für den St.Martins- oder Räbeliechtliumzug eingemacht. Überzähliges Vieh, Gemüse und Getreide werden feilgeboten. Für den Erlös kauft man warme Kleider, Werkzeug, Kerzen oder Lampenöl, um in den finsteren Monaten genug Licht für die fälligen Ausbesserungsarbeiten an Haus, Hof und Gerät zu haben. Geschlachtetes Vieh, das weder verkauft noch für den Winter geräuchert oder gepökelt wird, kommt frisch in den Topf oder in den Ofen. Runtergespült werden die «Schlachtplatten» mit dem neuen, kaum recht vergorenen Sauser.
Anlass zum Feiern hat man sowieso wenn die Speicher und Vorratskammern voll sind und der Steuerzehnte an Feudalherr und Klerus abgeliefert.
« Bis zur Lichtmess durfte auf den Höfen nicht mehr als die Hälfte der Nahrungs- und Futtervorräte verbraucht sein. »
Lichtmess
Bis zum Zweiten Weltkrieg bedeutete Lichtmess eine Zäsur im Bauernjahr: So durfte bis zu diesem Tag auf den Höfen nicht mehr als die Hälfte der Nahrungs- und Futtervorräte verbraucht sein. Die Knechte mussten die Strohbänder für das Binden der Getreidegarben fertiggestellt, die Bäuerin und die Mägde Flachs und Schafwolle fertig gesponnen haben. So ist es in der Bauernregel überliefert: „Lichtmess bei Tag ess und bei Nacht Spindel vergess“. Nicht umsonst heisst die Zeit vorm neuen Bauernjahr «Schindertage». Während allerletzte Verrichtungen erledigt werden, bangte das Gesinde darum im nächsten Jahr wieder eine Anstellung zu haben, da nach Lichtmäss der Bauer entschied, mit welche Angestellten erneut für ein Jahr unter Vertrag genommen werden.
Beginn des Bauernjahres
Das Bauernjahr begann im Februar, weil im Unterland schon im März die Aussaat ausgebracht werden musste. Und zwar bevor das Gras im März zu spriessen begann. Da mussten die Wiesen gerecht werden, um den Mist der im Herbst ausgebracht wurde zu entfernen. Je nach Wetter konnten die Bauern auch schon «ins Holz» um die im Herbst und Winter gefällten und abgelagerten Scheite zu bündeln. Zum Kochen und Waschen herrschte das ganze Jahr ein grosser Bedarf an Feuerholz.
Schon im April ging es an die Aussaat der Kartoffeln. Wobei es damals vielmehr Sorten gab, die gesetzt werden wollten. «Goldgelbe Zwickauer», die «Rosafarbenen Woltmann», die «Weinroten Weltwunder». Dies nur einige Beispiele für die damalige Vielfalt an Kartoffeln und ihre fantasievollen Namen, die heute grösstenteils vom Acker Verschwunden sind.
In guten Jahren konnte man schon früh im Mai mit er Heuernte beginnen. Durch den Klimawandel und seine regionale Auswirkungen wird dies allerdings langsam zum Standard.
Sommer
Was heute meist Landmaschinen immer schneller erledigen, mussten Bauern und Bäuerinnen, Landarbeiter und Landarbeiter mit gekrümmtem Rücken für kleinen Lohn von Hand stemmen. Mähen, Zetteln, Rechen und Heimführen war alles mühsame Plackerei. Und brauchte seine Zeit.
Die Feldarbeiten des Sommers zogen sich bis in den Juli, oft auch bis Anfang August. Den Juni nannte man auch Brachmonat. Denn auch ohne IP- oder Bio-Label war für die Bauern schon im Mittelalter ein klarer Fall, dass in jedem Jahr ein bis zwei Felder brach liegen gelassen wurden, damit sich die Böden und mit ihnen alles Kleingetier und -Gewächs erholen konnten. Die genutzten Böden wurden im Juni mit Mist und Gülle gedüngt.
Im Juni und Juli wurde das Bauernjahr bezüglich Feldarbeit etwas ruhiger. Dafür gings wiederum ans Ausbessern und Reparieren von Rechen, Deichseln, Drechseln Leiterwagen und was es halt so brauchte, um einen Hof am laufen zu halten. Das war damals freilich Männerarbeit. Die Frauen erledigten die grosse Wäsche in grossen Kupferzubern, die alltäglichen Haushaltsarbeiten und bewirtschafteten die Obstgärten.
« Im Mittelalter war für die Bauern klar, dass Felder brach liegen gelassen werden müssen, damit sich die Böden und mit ihnen alles Kleingetier und -Gewächs erholen kann. »
Erntezeit
Im August begann schon wieder die Erntezeit. Gerste, Weizen, Hafer, Roggen und Dinkel. War alles Getreide eingebracht, gab es überall, je nach Region unterschiedlich betitelte, Erntefeste, zu denen alle Helferinnen und Helfer eingeladen wurden. Doch kaum war das Getreide sicher eingelagert, galt es im August und September schon die jungen Kartoffeln zu ernten und Äpfel und Birnen waren reif und fielen bereits von den Bäumen.
Im Oktober ging es an die Ernte der restlichen Kartoffeln, der Steck-, Zucker- und Runkelrüben, Auch Karotten und sonstiges Wurzelgemüse, dass für unsere Ernährung im Winter so wichtig sind sind erntereif und mit der Kohlernte neigt sich das Bauernjahr bereits wieder dem Ende zu. Und dem Höhepunkt.
Um den Martinstag häufen sich wieder die Festmäler und Lichterumzüge. Während es an den Metzgeten dem Schlachtvieh an den Kragen geht wird in den Bauernküchen gebacken, als gäbe es kein Morgen und stünde die weihnachtliche Schlemmerei nicht vor der Tür.
Winter
Zwischen Martinstag und Mariä Lichtmess macht das Bauernjahr zwar eine längere Pause. Müssiggang kommt aber nicht auf. Was man an Äpfeln bis nach Weihnachten nicht frisch verbraucht hatte, wurde im Januar geschnitten und – wie zuvor die Birnen – auf einem Gitter im Ofen gedörrt. Jetzt war auch das Sauerkraut einzumachen. Alle Familien halfen einander den Chabis zu hobeln, in grosse Holz- oder Steingutfässer zu füllen und je nachdem noch mit würzigen Beeren zu verfeinern, mit Salz zu bedecken und mit einem Holzbrett abzudichten. Ansonsten bleiben bis zu Mariä Lichtmäss im Wesentlichen Reparaturarbeiten vorzunehmen und neues Werkzeug anzufertigen. Und von den das ganze Jahre produzierten Vorräten zu leben und darauf zu hoffen, dass Knochenarbeit und Scholle genug hergegeben haben. Denn Ziel ist, dass zu Beginn des neuen Bauernjahres weniger als die Hälfte der Vorräte aufgebraucht sind. Nur dann ist gewährleistet, dass man gut über die verbleibende Winterzeit und den – in Sachen Nahrungsmittel – kargen Frühling kommt, bis dann im Juni wieder die ersten Ernten eingefahren sind, die Bienenstöcke Honig abwerfen, und die Laichzüge die Fischreusen in den Bächen füllen.