Es ist Erntezeit. Jetzt im Herbst beschenkt uns die Natur mit der grössten Fülle an Früchten und Gemüsen. Obst gehört zu unserer Nahrung, seit wir als Sammler durch die Wälder streiften, doch vom wilden Holzapfel bis zu den heutigen Tafeläpfeln war es ein langer Weg. Im Laufe vieler Jahrhunderte wurde der Apfel gezähmt, verbessert und kultiviert und ist immer noch die Lieblingsfrucht der Schweizer – die wir heute das ganze Jahr über frisch im Supermarkt haben wollen, auch aus regionalem Anbau.
Äpfel vom Baum …
Es wird geschätzt, dass es heute über 25’000 Apfelsorten auf der Welt gibt, über 70% der weltweiten Obsternte sind Äpfel, doch nicht jeder Apfel wächst in jedem Klima. Wichtige Unterscheidungs- und Qualitätsmerkmale sind heute nicht nur der Geschmack, sondern auch Reife, Lagerfähigkeit, Farbe und Grösse. Während es Projekte zur Erhaltung der Hochstammbäume gibt, die wichtiger Teil unserer Kulturlandschaft und Lebensraum für viele Vogel- und andere Tierarten sind, wurde auf der anderen Seite auch breits der genmanipulierte Apfel aus Frankensteins Küche offiziell genehmigt.
Glänzend und rotbackig soll er sein, knackig und süss.
Unansehnliche braune Flecken auf einem Apfel verderben den Konsumenten den Appetit. Kein Wunder, dass die meisten Apfelkulturen intensiv mit Pestiziden und Fungiziden behandelt werden – 10 bis 15 Behandlungen pro Saison sind üblich. Weitgehend unbemerkt vom Verbraucher werden die Früchte auch zwecks Haltbarkeit chemisch behandelt. Wie alt ein Apfel wirklich ist, kann man ihm seitdem nicht mehr ansehen. Ziel der Behandlung ist ja gerade, dass die Frucht nach vielen Monaten noch knackig aussieht. Durch die relativ neue MCP-Konservierung (MCP steht für das Gas-Methyl-Cyclopropen, vom Chemieriesen Dow Chemical entwickelt, auch SmartFresh genannt), bilden die Äpfel kaum noch ihr natürliches Reifegas Ethylen. Dadurch bleibt die Farbe über Monate erhalten und das Fruchtfleisch knackig. Nachteile dieser Methode: Das Apfelaroma leidet wegen der schlechten Nachreife. Nicht nur Biobauern sind skeptisch. Auch Verbraucherschützer befürchten, dass bestimmte Aromatypen der Früchte zunehmend vom Markt verschwinden werden. Und der Verbraucher hat keine Wahl, ob er einen unbehandelten Apfel einem behandelten vorzieht, da die Begasung im Obstregal nicht kennzeichnungspflichtig ist.
Aber es geht auch ohne Gift. Dass sich die Wahl von Bio-Obst im Winter lohnt, beweisen sogar Studien: Bio-Äpfel enthalten bis zu 20 Prozent mehr Vitalstoffe und schmecken besser als herkömmliches Kernobst. Für die Biologische Landwirtschaft eignen sich Apfelsorten wie Topaz, Ariwa, Ecolette, Florina, Golden Orange, Goldrush, Goldstar, Cox Orange, Elstar, Golden Delicious, Goldparmäne, Gravensteiner, Boskoop, Glockenapfel, Idared und viele mehr. Nur wer hier nach dem beliebten, doch eher krankheitsanfälligen Gala schaut, sucht vergebens.
Wann ist der Apfel reif?
Nicht alle Äpfel können gleich nach der Ernte verzehrt werden. Man unterscheidet hierbei zwischen Pflückreife und Genussreife. Pflückreif ist ein Apfel bereits, wenn sich der Stiel einer voll entwickelten Frucht gut von seiner Ansatzstelle am Baum löst. Genussreif sind Äpfel in den meisten Fällen jedoch erst Tage oder Wochen nach dem Pflücken, da sie nach der Ernte noch eine gewisse Zeit der Nachreife benötigen, bevor sie ihr volles sortentypisches Aroma entwickeln.
Haben Sie gewusst, dass Früchte atmen? Obst und Gemüse sind auch nach der Ernte noch lebendig, sie haben einen Stoffwechsel, verbrauchen Sauerstoff und erzeugen dabei Wärme, Kohlenstoffdioxid, Wasserdampf und aromatische Verbindungen. Dieser Gasaustausch verlangsamt sich lediglich bei niedrigeren Temperaturen.
Die CA- oder ULO-Lagerung genannte Lagermethode ermöglicht lange Lagerzeiten ohne Chemieeinsatz und wird auch bei Bio-Äpfeln praktiziert. Eine spezielle Anlage erhöht den natürlichen Stickstoffgehalt der Luft und entzieht den Räumen dadurch Sauerstoff. Das bremst den Stoffwechsel der Früchte, der Apfel atmet dadurch langsamer und somit verlangsamt sich auch der Reifeprozess. Das umgekehrte geschieht bei der Reifung von Bananen: Sie kommen unreif zu uns und werden hier bei kontrollierter Temperatur und mit Ethen, künstlich zugefügt oder von reifenden Äpfeln stammend, nachgereift.
So ist es möglich, dass wir auch im Mai einheimische Äpfel kaufen können. Nur, wenn ich diese zuhause in meine Früchteschale lege, erlebe ich eine unschöne Überraschung: Innert kürzester Zeit werden sie fade und geschmacklos. Ob ein solcher Apfel täglich dann wirklich noch den Doktor fernhält?
Auch darüber, ob die CA-Lagerung einheimischer Äpfel das ganze Jahr über oder der Import aus Übersee klimafreundlicher ist, ist man sich nicht einig.
Doch die Antwort auf diese Fragen ist ganz einfach: Äpfel dann konsumieren, wenn sie wirklich Saison haben und sie so lagern, wie man es zu Grossmutters Zeiten gemacht hat: Im Naturlager. Laut Bio Suisse ist Hochstammkernobst aus kühlen Kellern mit hoher Luftfeuchtigkeit die ökologischste Variante, die auch Verbraucher privat anwenden können. Äpfel können so 4–6 Monate, Glockenäpfel und Maigold sogar bis zu 8 Monate gelagert werden. Der Zeitaufwand für das Einlagern ist gemessen am täglichen Gang in den Laden sehr klein. Schade, dass heute nur noch die wenigsten Häuser einen dafür geeigneten Naturkeller haben.
Doch es gibt noch viele andere, grösstenteils in Vergessenheit geratene Konservierungsmethoden wie Dörren (Apfelringli gelten ja neuerdings als besonders schweizerisch) oder Einmachen als Apfelmus, Konfitüre, Chutney.
… und Äpfel aus der Erde
Auch ein anderer Apfel hat jetzt Erntezeit: Der aus dem Boden, der Erdapfel. Die Kartoffel ist ein empfindliches Geschöpf und möchte ganz speziell behandelt werden.
Konventionelle Kartoffeln werden bis zur Ernte mindestens zwanzigmal gespritzt, und danach werden sie erst recht mit Gift behandelt, denn sie lassen Keime wachsen, wenn es wärmer wird. Was nicht mehr keimen kann, ist tot. 19 von 20 Kartoffeln waren im jüngsten Test von K-Tipp mit dem Pestizid Chlorpropham behandelt. Der Stoff steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Einige Produkte waren zudem mit dem Pilzvernichter Propamocarb oder dem Insektenvertilger Clothianidin belastet.
Deshalb muss der Biobauer besonders sorgfältig vorgehen: Wenn Kartoffeln nach der Ernte in offenen Lagerhallen 3 Wochen gelagert werden müssen, um ev. versteckte Fäulnis sichtbar werden zu lassen, sollte die Temperatur nicht tiefer fallen als später im Lagerkeller. Da im September und Oktober oftmals sehr kalte Nächte mit Temperaturen um 0°C eintreten, kann die Einlagerung bei 5-8°C bereits die Keimung auslösen. Es geht also nicht um den frühen oder späten Erntezeitpunkt, sondern darum, dass die Zwischenlagerung immer wärmer sein soll als die Endlagerung. Bei der Ernte anfangs September ist das einfacher möglich als anfangs Oktober.
Es ist übrigens ein Märchen, dass man ausgekeimte Kartoffeln nicht mehr essen darf. Nur die Triebe eignen sich nicht zum Verzehr. Darin und in grünen Stellen bildet sich das natürliche Gift Solanin, deshalb sollte man diese vor dem Kochen entfernen.
Kartoffen lagert man kühl und dunkel, aber nicht im Kühlschrank, denn Kälte fördert die Zuckerbildung. Reduzierende Zucker tragen zwar beim Backen und Braten zum erwünschten Bräunungsprozess bei; doch je mehr vorhanden sind, desto mehr Acrylamid wird gebildet. Die Substanz gilt für den Menschen als „wahrscheinlich” krebserregend. Aus gesundheitlichen Gründen sollte die Aufnahme so gering wie möglich gehalten werden. Vor allem stärkehaltige Lebensmittel, die deutlich über 100°C erhitzt wurden, enthalten Acrylamid. Deshalb diejenigen Kartoffelsorten wählen, die sich dank geringer Zuckergehalte besser für die Herstellung von gebratenen und gebackenen Kartoffelgerichten eignen (zum Teil auf der Verpackung angeschrieben). Fehlt geeigneter Lagerraum, nur kleinere Kartoffelmengen kaufen.
Knolle mit Geschichte
Kaum eine andere Frucht kann auf so eine bewegte Geschichte zurück blicken. Wie Tomaten, Auberginen und Peperoni zu den Nachtschattengewächsen gehörend, liegt das Ursprungsland der Kartoffel in Südamerika. Es dauerte einige Generationen, bis aus der Knolle eine Hauptnahrungsquelle der breiten Bevölkerung in Europa wurde. Heute gehört die Kartoffel zu den wichtigsten Nahrungsmitteln in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dies ist u. A. dem Umstand zu verdanken, dass sie im mitteleuropäischen Klima und in den meisten landwirtschaftlich genützten Böden gut gedeiht.
Im biologischen Kartoffelanbau stehen für die Regulierung von Krankheiten und Schädlingen nur sehr wenige Hilfsmittel zur Verfügung. Deshalb liegt der Schlüssel zum erfolgreichen Anbau bei den vorbeugenden Massnahmen und bei der richtigen Sortenwahl. Die Hauptsorten sind seit Jahren Charlotte und Agria. Hinzu gekommen sind neuere Sorten wie Agata, Viktoria und Ditta, welche sich seit zehn Jahren gut behaupten. Desirée ist mit fünzig Jahren im Anbau die älteste und neben der dreissigjährigen Nicola die wohl bekannteste Sorte, die immer noch eine gewisse Beliebtheit bei den Direktvermarktern geniesst. In den letzten Jahren wurde viel getan, um alte Kartoffelsorten zu erhalten. Rund 80 Kartoffelsorten hat ProSpecieRara heute in Verwahrung, darunter viele mit lustigen Namen und Formen wie ’Parli’,’ Blaue Schweden’, ’Vitelotte noir’, ’Acht Wochen Nüdeli’ und ’Fläckler’. In einem Nationalen Aktionsplan (NAP) ist inzwischen der Bund und seine Forschungsanstalten am Erhalt alter Kartoffelsorten beteiligt.
Kartoffeln werden bei uns das ganze Jahr über angeboten. Die heimische Ernte reicht aber bei Weitem nicht, um die grosse Nachfrage zu decken. So kommen die ersten Frühkartoffeln bereits im Januar aus Marokko, Tunesien, Ägypten, Griechenland und Zypern. Ab April werden Kartoffeln aus Spanien und Italien geliefert. Ende Mai treffen die ersten Kartoffelimporte aus Frankreich aus der Bretagne ein. Aber auch für den Herdöpfel gilt: Am besten dann geniessen, wenn die heimische Ernte beginnt: Das ist Ende Juni und reicht bis in den Oktober hinein.
Übrigens: Kartoffeln nicht zusammen mit Äpfeln lagern, denn Äpfel sondern ein Reifegas ab, das die Kartoffeln schrumpeln lässt.
Quellen und weiterführende Links:
- Hochstamm Suisse
- Historisches Lexikon der Schweiz: Obstbau
- Genmanipulierte Äpfel
- Apfelpatenhof: Rund um den Apfel
- Äpfel im Tiefschlaf
- Bio-Obst im Winter
- ProSpecieRara
- kartoffel.ch
- Lebensmittellexikon: Kartoffel
- BLV: Acrylamid
Guten Tag,
ich habe beim einem Spaziergang am 19.01.2020 im Kt. Waadt in einer Obstanlage einige Reihen mit vielen Früchen, welche noch an den Bäumen hiengen gesehen. Bei einigen Reihen sind die kleinen Äpfel wohl nicht ganz ausgereift, bei anderen sind diese aber immer noch sehr gut geniessbar. Deshalb meine Frage:
Darf man diese Äpfel jetzt für den Privatgebrauch pflücken und mitnehmen, oder ist dies Diebstahl?
Besten Dank für eine fachkundige Antwort!!!
Mit freundlichen Grüssen
E. Oberholzer
Sehr geehrter Herr Oberholzer,
Danke für Ihre Anfrage. Die Früchte gehören den Baumbesitzern und dürfen deshalb nicht einfach mitgenommen werden (ebenso wenig wie z.B. Kartoffeln, die nach der Ernte auf dem Acker liegen bleiben).
Doch wenn Sie die Bauern fragen, ob Sie nachernten dürfen und wieso das Obst hängen blieb, erfahren Sie noch einiges mehr über Apfelanbau und -markt. Schon deshalb lohnt sich das Gespräch mit den Besitzern!
Freundliche Grüsse,
Christine Hürlimann