Vortrag von Andrea Hüsser, Fachbereich Konsum EvB
Gehalten im Rahmen der Tagung Macht keinen Hunger!? – Fleisch aus Weidehaltung, organisiert von der Allianz share for food.
Der globalisierte Nahrungsmittelmarkt hat ganz viele Facetten. Einerseits gibt es die Rohstoffe und die Rohstoffgewinnung, welche für die Produktion der Nahrungsmittel sorgt und andererseits die Nahrungsmittel und ihre Verarbeitung.
Die Gewinnung und die Produktion finden oft an kostengünstigen Orten statt. Dabei bestimmen neben Lohnkosten auch niedrige Umwelt- und Sicherheitsbestimmungen, wo produziert wird. Dass viele unserer Nahrungsmittel aus dem globalen Süden bzw. «Entwicklungsländern» kommen, hat seinen Ursprung zum Teil in der Kolonialzeit. Die Kolonialmächte trimmten ihre kolonialisierten Zulieferländer auf die Produktion von landwirtschaftlichen Produkten, wie Baumwolle und Kaffee für den Konsum in Europa. Das prägt noch heute die Landwirtschafts-Situation in den Ländern des Südens. In den 1980er, 1990er Jahren, haben die Weltbank, der internationale Währungsfond sowie andere Akteure die Ideologie geprägt, dass die Entwicklungsländer in den Weltmarkt miteinbezogen werden müssen. Einerseits soll da produziert werden wo es am günstigsten ist und das, was die Leute am besten können. Das bedeutet dann aber auch, dass statt Eigenanbau Lebensmittel eingeführt werden sollen, die anderswo auf der Welt günstiger produziert werden können. Die Forderung nach Ernährungssouveränität, die in den letzten Jahren verstärkt aufkam, ist ein Gegentrend zu diesem Paradigma, das aber weiterhin vertreten wird. Ein weiteres Merkmal der globalisierten Nahrungsmittelproduktion ist die stetige Zunahme von Markt- und Machtkonzentration in der ganzen Wertschöpfungskette. Diese Entwicklung am Nahrungsmittelmarkt hat potentielle Probleme nach sich gezogen, wie die Menschen- und Arbeitsrechtverletzungen auf allen Ebenen der Produktionskette, Umweltverschmutzungen, die Gefährdung der Artenvielfalt, die Gefahr von Machtmissbrauch auf verschiedenen Ebenen, vor allem die Beeinflussung der Politik durch grosse Konzerne und die Ernährungssicherung des Südens.
In der Werbung für Nahrungsmittel werden oft Bilder der Landwirtschaft benutzt, die so aussehen wie in dieser Grafik. Sie kennen vielleicht die MIGROS Werbung mit dem Huhn, welches vom Hof über Wiesen und Alpen zur MIGROS läuft, dort ihr Ei legt und dann zum Hof zurückkehrt. Natürlich wissen wir, dass die wirkliche Landwirtschaft anders aussieht, aber wie, wissen wir doch nicht so genau.
Die zweite Grafik ist eine schematische Darstellung wie die globalisierte Nahrungsmittelproduktionskette in Etwa aussehen könnte. Düngemittel und Pestizide sowie Saatgut werden für die Produktion von Futtermittel (Getreide, Soja, Mais) benötigt, welches wiederum die Basis für die Tierzucht ist. Die fertiggestellten Güter, werden anschließend an Zwischenhändler verkauft und weiter verarbeitet. Nach der Verarbeitung werden sie in den Einzelhandel transportiert und vom Verbraucher konsumiert. Beim Beispiel Fleisch kommt das zu Futtermittel verarbeitete Getreide zurück in den Zyklus und wird an die Nutztiere verfüttert. Die Tiere werden wiederum zum Schlachthof transportiert und verarbeitet, bevor sie im Einzelhandel landen und vom Verbraucher konsumiert werden.
Auffallend ist, dass es auf allen diesen Ebenen eine grosse Konzentration von Akteuren gibt. Die Genetik der Legehennen beispielsweise wird weltweit von nur drei Unternehmen betrieben. Bei den Masthühnern sind es vier Unternehmen und bei den Rinder und Schweinen noch ein paar mehr.
Beim Saatgut sieht es ähnlich aus, die Top-10-Konzerne beherrschen 75% des weltweiten Saatgutmarktes und bei den Pestiziden sind es sogar 95%. Die Schweiz spielt dabei eine interessante Rolle, da Syngenta als einer der wichtigsten Akteure eine Schweizer Firma ist.
Als Beispiel für die vertikale Integration wurde das Unternehmen Cargill ausgewählt, welche in diversen Sektoren tätig ist. Cargill ist weltweit die Nummer zwei in der Futtermittelproduktion. Auch beim Saatgut und den Düngemittel liegt sie weit vorne. 1998 hat sie ihr globales Saatgutgeschäft, außer dieses in den USA, an Monsanto verkauft.
Auf der Stufe der Produktion arbeitet Cargill im Rahmen von Vertragslandwirtschaft, mit Rinder- und Schweinemastbetrieben. Im Handel ist Cargill mit Getreide, Mais und Soja tätig, das zu Futtermitteln verarbeitet wird. Auf der Stufe der Fleisch-Verarbeitung besitzt das Unternehmen selber viele Schlachtbetriebe, so gehen etwa 25% des in den USA konsumierten Fleischs über Schlachthöfe, die Cargill gehören. Sie besitzen Lieferverträge mit dem Detailhandel.
Bei den Konsumenten ist Cargill allerdings weniger bekannt, jedoch dominiert das Unternehmen fast die gesamte Produktionskette.
Die Grafik zum Tierzucht Monopol soll zeigen, dass die Tierzüchtung fast unbemerkt von der Öffentlichkeit in eine stark konzentrierte Biotechindustrie umfunktioniert wurde. Die grössten Konzerne produzieren Genetik für mehrere Nutztierarten. Bei Rindern und Schweinen entsprechen die Gene von vielen Millionen Tieren nur noch weniger als 100 Tieren.
Beim Huhn gibt es sogar nur noch 24 Zuchtlinien aus nur 3 Unternehmen, welche die Geflügelgenetik für Legehennen liefern.
Verschiedene Risiken verbergen sich hinter dieser Marktkonzentration. Erstens sind es nur wenige Konzerne, die den Markt dominieren: Bauern werden von Konzernen unter Druck gesetzt mit dem Resultat von niedrigen Abnahmepreisen, hohen Preisen für Saatgut, Pestizide, Dünger, Energie und Futtermittel. Zweitens wird der Markt von Lobbyarbeit der Konzerne statt vom Wettbewerb dominiert. Denn der Einfluss von Konzernen auf Politik und Öffentlichkeit wächst immer mehr (Beispiel Nestlé an Weltausstellung in Milano). Ein weiteres Beispiel dafür ist der „Round Table on Responsible Soy (RTRS)”: Bis heute ist im Rahmen des Standards RTRS genmanipulierter Soja erlaubt, ebenso wie die Verwendung des Herbizids Paraquat. Drittens entsteht ein immer grösserer Druck auf den Nähstoffkreislauf: Die Kreislaufwirtschaft findet nicht mehr auf dem Hof statt, sondern auf der ganzen Welt mit negativen Folgen für Böden, Wasser, Tiere, Gesundheit. Und viertens findet die Wertschöpfung nicht bei den Bauern statt.
Soja ist ein wichtiges Futtermittel für die Produktion von Fleisch, besonders für Hühner- und Schweinefleisch. Allerdings hat der massive Anbau von Soja verheerende Auswirkungen in den Anbauländern. Die Schweiz importiert jährlich ungefähr 300 000 Tonnen Soja für die Futtermittelproduktion. Das stammt hauptsächlich aus Brasilien, wo es nach wie vor grössere Mengen an nicht genmanipuliertem Soja gibt. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, das während den letzten Jahren kein genverändertes Soja mehr importiert hat. In Paraguay, Argentinien und den USA wird fast ausschliesslich genveränderter Soja angebaut.
Soja wird grossmehrheitlich industriell angebaut. Der konventionelle, industrielle Anbau von Soja fordert enorme Landflächen, sonst kann nicht effizient genug produziert werden. Das Zusammenfügen von grossen Flächen verlangt jedoch hohe Kapitaleinsätze. Kleinbauern, die einen Teil der Flächen bewirtschaften, können sich das nicht leisten. Die Folge sind Enteignung und Vertreibungen. Mit illegalen Mittel zur Landgewinnung wird die lokale Bevölkerung vertrieben. Zum effizienten Anbau gehört auch ein hoher Einsatz von Dünger und starken Pestiziden mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier, die Wasserqualität und die Böden. Zusätzlich sind für den Anbau von Soja in den letzten Jahrzehnten Millionen von Hektaren an Grasland, Savanne und Regenwald abgeholzt und in Ackerland umgewandelt worden, vor allem im Amazonasund im Cerrado-Gebiet. Werden die Kleinbauern verdrängt, verringert sich auch die Produktion von lokalen Nahrungsmitteln. Müssen lokale Produkte durch das Land transportiert oder importiert werden, steigen die Produktionskosten und somit auch die Nahrungsmittelpreise. Steigen die Lebensmittelpreise kann das fatale Auswirkungen auf die Ernährungssituation der lokalen Bevölkerung haben. Mit der Verdrängung der Kleinbauern beginnt die Armutsspirale zu wirken: Die Arbeitslosigkeit steigt, die Ernährungssituation verschlechtert sich, die Menschen wandern in die Vorstadtregionen ab. Wer sich zur Wehr setzt, muss damit rechnen, gewaltsam vertrieben zu werden. Da gerade in Brasilien die Agrarreform nie zu Ende gebracht wurde und das staatliche Interesse an den Devisen aus dem Sojaexport hoch ist, ist es für die Betroffenen oft schwierig, ihre Rechte einzufordern. So verlieren viele Kleinbauernfamilien und Indigene ihre Lebensgrundlage.
In der Schweiz werden jährlich fast 75 kg Fleisch (Schlachtgewicht) konsumiert, davon sind 54 kg verkauf fertiges Fleisch, sprich es werden durchschnittlich 1 kg pro Kopf und Woche konsumiert. Ungefähr 20% des in der Schweiz konsumierten Fleisch und 40% des Kraftfutters wird importiert. Die Genetik und die Zucht stammen von internationalen Unternehmen.
Es stellt sich nun die Frage, wie viel Fleisch man essen dürfte oder wie viel Fleisch pro Person ein angemessener Konsum wäre. Auf die Frage wie viel Fleisch man pro Tag esse, antworteten die meisten mit „nicht viel“. Die wenigsten sagen „viel oder sehr viel“. In Anbetracht der 54 kg Fleisch pro Person und Jahr, wird in der Schweiz doch eine recht grosse Menge konsumiert.
Die EvB hat sich nun die Frage gestellt, wie viel Fleisch die Schweizerinnen und Schweizer noch essen könnten, wenn sie kein Fleisch und auch kein Kraftfutter mehr importieren würden. Eine Studie, welche die EvB zu dieser Frage in Auftrag gegeben hat, hat ergeben, dass wir den Konsum in der Schweiz halbieren müssten. Das heisst, statt einem ganzen Kilo dürfte jede und jeder nur noch 500 g Fleisch pro Woche essen. Das ist die Grundaussage.
Es kommt allerdings auch darauf an, von welchem Tier das Fleisch stammt. In der Studie wurde angenommen, dass die Fütterung von Milchkühen und Mastrindern reduziert werden müsste. Und der Schweinebestand müsste um 50% und der Hühnerbestand um 20% reduziert werden.
Die massive Produktion von Soja, das für Futtermittel eingesetzt wird, hat für Mensch und Umwelt verheerende Auswirkungen. Der weltweit immer grösser werdende Fleischhunger verschärft vor allem in Lateinamerika Landkonflikte und treibt die Menschen in die Armut. Profitieren tun davon vor allem wenige, dafür umso grössere Konzerne, welche durch ihre Marktmacht die Rahmenbedingungen innerhalb der Produktionskette bestimmen können.
Deshalb ist Fleischkonsum ist nicht nur eine private, sondern eine hoch-politische Angelegenheit, auf die wir mit unserem Verhalten direkt Einfluss nehmen können. Als Anmerkung ist hier anzufügen; wird hier vom Fleischkonsum gesprochen, ist immer auch der Konsum von Milch, Butter und Ei gemeint.
Verhaltenstipps
Die Hälfte des üblichen Fleischkonsum reicht auch aus, weniger Konsumabfälle, weniger Luxusfleischstücke, Fleisch aus Weidehaltung vorziehen, sich informieren und bewusst konsumieren, vermehrt Vegi-Gerichte essen, sowie den Konsum von Butter und Käse einschränken.
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