Heute regnet es endlich. Das Heu ist drin, ich bin zwar müde aber sehr zufrieden und wir haben eine kurze Verschnaufpause verdient.
Das Heuen hier auf dem Mont-Soleil war sehr speziell dieses Jahr. Wobei ich ehrlich gesagt zugeben muss, noch kein „unspezielles“ Jahr hier oben erlebt zu haben. Wahrscheinlich ist jedes Jahr speziell oder sagen wir eher einzigartig. Der Start in die Heusaison ist jeweils ein Geduldsakt für uns, eine Balance zwischen Abwarten und Loslegen. Geduld haben damit die Gräser wachsen können und gleichzeitig bei Schönwetterperioden nicht zu zögern. Gelernt habe ich von unserem Vorgänger, dass der Löwenzahn vollständig verblüht sein muss, wenn man keine Heubelüftung hat, denn die dicken Stängel haben Mühe zu trocknen. Dieser hartnäckige Löwenzahn wollte und wollte nicht verblühen. Und während unten im Tal die Bauern und Bäuerinnen bereits den 2.Schnitt (wenn nicht den 3.) im Trocknen hatten, warteten wir noch auf ein stabiles Hoch.
Es ist hatte zwar schon sehr lange nicht mehr richtig geregnet, aber richtig sonnig und heiss war es auch nicht. Der Boden war bereits von Jahresbeginn an viel zu trocken und eigentlich war klar, dass das Gras nun nicht mehr weiter wachsen würde.
Also haben wir alle Maschinen hervorgeholt: Den Motormäher (Vormähen), den Balkenmäher, das Busatis, für den Traktor (Mähen) den Zetter (Wenden) und den Schwader (Mädli machen), und den Heuladewagen (nimmt das Heu von den Mädli automatisch auf) nicht zu vergessen. Nebst den Maschinen brauchen wir Menschen, die sich 2-3 Tage Zeit nehmen können, um bei der Handarbeit fürs Reinholen des Heus mitanzupacken. Aber das ist die Krux: Wann genau können wir schneiden, wie schnell trocknet das Gras zu Heu, wann können wir es rein nehmen? Lauter Puzzleteile, die sich erst spät zu einem Plan zusammenfügen.
Wir hingen in diesen Tagen des Wartens immer wieder vor unseren Laptops oder starrten auf das Smartphone. Welcher Wetterdienst sagt was? Meteoblue sehr optimistisch, MeteoSchweiz noch etwas verhalten – welcher stimmt, ändert sich die Prognose nicht grad stündlich? Das Landi-Wetter steht wiedermal quer in der Landschaft und der Schweizerbauer hat offensichtlich von MeteoSchweiz abgeschrieben. Sollen wir mutig „Abhauen“ oder doch noch warten? Hat sich der Wetterdienst nicht auch schon völlig verrechnet? Plötzlich gab es doch bereits nach 2 heissen Tagen Hitzegewitter und das Heu wurde verregnet. OK – wir alle wissen, die Meteorologen sind keine Hellseher, sondern werten verschiedene Modelle aus, errechnen Wahrscheinlichkeiten und fassen sie für uns zusammen. An den Himmel müssen wir schon noch selber schauen.
Aber dann: MeteoSchweiz prognostizierte am 13.Juni ein stabiles Hoch mit mindestens 4 Tagen Sommerwetter ohne grössere Abendgewitter am Jurabogen. Das war unser Startschuss zum Schneiden. Weil 4 Tage schönes Wetter am Stück sind nötig. 1.Tag schneiden, zwei Tage trocknen und wenden, 4. Tag Mädli machen und reinholen. So der optimistische Plan. Ich habe mich ans Telephon gehängt und meine Freunde und Freundinnen alarmiert, um sie für den 3.und 4. Tag zu mobilisieren. Und wie schon oft waren meine Befürchtungen überflüssig, wir waren eine ganze Bande und genug Leute mit genug Energie, um in der Bruthitze nachzurechen oder im Heustock das Heu vom Ladewagen ins Heugebläse zu „schaufeln“. Das Gebläse befördert dann das Heu auf den Heustock, eine sehr gute Sache, denn so müssen wir nur ab und zu hochklettern und das Heu auf dem Stock etwas verteilen und nicht wie in früheren Zeiten, in denen das gesamte Heu auf den Stock hochgabelt werden musste. Gewisse Modernisierungen sind ein Segen.
Aber zurück zu Tag 1: Mit dem Motormäher (Bucher M600) mähen wir die Ränder an. Der Motormäher ist ein Gerät wie ein grosser Rasenmäher mit starkem Motor, welcher das Getriebe für die Räder und den Messerbalken antreibt. Er ist schon in die Jahre gekommen – und etwas schwerfällig, aber ansonsten wieder äusserst zuverlässig. Wir hatten ihn nach der letzten Saison schon aufgegeben, aber gute Geister wollten einen Wiederbelebungsversuch unternehmen – und siehe da mit genug Geduld und Wissen für diesen Betagten und den richtigen Occassionsteilen über Ricardo, fing er wieder an zu atmen und brummen. Aber eben zurück zum Mähen: Wir mähen in der Regel zweimal ringsum das Stück Wiese, das nachher mit dem Busatis gemäht werden soll. So können wir mit dem Traktor auf dem schon gemähten Rand fahren und fahren nicht stehendes Gras platt. Das Busatis ist hinten am Traktor auf der rechten Seite angehängt und hat auch einen Mähbalken.
Wir haben keine Trommelmäher oder Frontmäher, die Mähbalken sind Doppel-Messer, die das Gras sehr schonend schneiden und nicht verschlagen. Die Insekten werden nicht vernichtet und weil relativ langsam gefahren werden muss – mit dem Motormäher im Schritttempo, mit dem Busatis etwas schneller-, können auch andere Tiere in der Regel noch rechtzeitig flüchten.
Schon vorher war mir klar, dass dieses Jahr die Ernte eher mager werden würde. Ganze Stellen waren stehend verdorrt und der Wiesenpippau hatte sich in der Trockenheit stark durchgesetzt. Der Wiesenpippau wird von den Kühen im Heu nicht gefressen, weil die Stängel zu dick und hölzern sind und auf der Weide fressen sie ihn nur, wenn er noch ganz klein ist. Beim Schneiden wurde das Ausmass von „ eher mager“ sichtbar. Die Diagnose: Aus eher mager wurde sehr mager! Wenig Gräsermasse heisst wenig Heu. Will man diesem Fakt etwas positives abgewinnen, könnte man sagen: Wenn das Gras nicht so dick am Boden liegt, trocknet es viel schneller, muss weniger oft gezettet resp. gewendet werden, es gibt weniger Mädli und so gibts weniger Arbeit beim Reinholen. Es gibt dadurch viel weniger Fahrerei auf dem Feld, weniger Belastung auf den Boden und das Heuen kann schonender von statten gehen.
Wir haben dann tapfer weiter geschnitten bis wir schlussendlich am 23.Juni das Heu der vorderen Matte in drei Etappen glücklich im Tenn untergebracht hatten.
Zwischen Schneiden und mit dem Ladewagen das Heu aufnehmen, liegen etliche Runden von Hand und mit den Maschinen. Das Heu wird vom Rand herein gerecht, es wird mehrmals gezettet und am Schluss werden Mädli gemacht, die der Ladewagen dann aufnehmen kann.
Also, alles trocken auf dem Stock im Tenn. Mit dem Wermutstropfen, dass wir halb soviel Heu haben, wie letztes Jahr und ich eventuell Heu aus dem Flachland dazukaufen muss. Das ist finanziell gesehen nicht nachhaltig und läuft meinem Konzept der eigenen lokalen Futterproduktion völlig entgegen.
Hier im extensiven Berggebiet geht man davon aus, dass eine Kuh 1ha Fläche braucht, um ihren Futterbedarf zu decken. Wir haben in den letzten Jahren bewusst weniger Kühe gehalten, damit wir gut über die Runden kommen. Doch dieses Jahr geht diese Rechnung offensichtlich nicht auf, obwohl wir im Moment auf unsere 10 ha nur gerade 5 Kühe, 2 Guschtis und ein Kälbli haben.
Die Alternative wäre eine Kuh zu schlachten im Herbst. Diese Alternative steht im Moment für mich nicht zur Debatte.
Nun lag also diese Heumatte geschoren und irgendwie kahl vor dem Haus, die Gewitter machten einen Bogen um den Mont-Soleil und die kurzen Gräser wurden gelb oder braun und der Boden pickelhart. Dann endlich kam ein erlösendes Gewitter daher, nicht von langer Dauer, aber immerhin kamen auch hier einige Regengüsse zusammen.
Welche Wohltat für den Boden und die Waldweiden, die Vögel waren wieder richtig zwitschrig unterwegs am frühen Morgen und die Kühe lagen zufrieden unter den grossen Tannen.
Es ist ein Durchatmen für die Natur und auch ich habe endlich wieder gut geschlafen, ein Sorge weniger, alles hat wunderbar geklappt, das Wetter zum Heuen optimal, kein Ausfall wegen unseren eher altersschwachen Maschinen und so konnten wir unsere gelungene, wenn auch etwas magere Ernte am letzten Freitag auch gebührend feiern.
Nun ist das mit Heuen natürlich noch nicht ganz geschafft. Das Ökoheu, oder Juliheu wie wir auch sagen, steht noch. Und sollte es genügend regnen, können wir eventuell auch noch einen zweiten Schnitt vorne auf der Heumatte machen, das Emd. Aber häufig war es so, dass wir unsere Kühe drauf gelassen haben, da die Waldweiden nichts mehr hergaben. Für diese Woche sind noch weitere Regenschauer und eine Abkühlung gemeldet, ich freue mich auf „schlechtes“ Wetter, denn die Natur braucht eine längere Verschnaufpause. Ich bin gespannt, wie sich alles entwickelt – speziell wird es allemal. Oder sagen wir einzigartig, denn die Natur und das Arbeiten mit der Natur ist ein Erlebnis, das sich kaum in Worte fassen lässt.