Seit gut einem halben Jahrhundert setzt das weltweite Landwirtschaftssystem auf die massenhafte Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide. Zu einem hohen Preis: Die umfangreiche PAN International Untersuchung über die Anwendung von Pestiziden zeigt, dass hochgefährliche Pestizide weltweit eine Ursache von Gesundheits- und Umweltschäden sind. Deshalb raten Experten in jüngerer Zeit zu einer fortschreitenden Beseitigung hochgefährlicher Pestizide. Lars Neumeister weist auf die immense Komplexität des Themas hin. Er ist einer der wenigen weltweit agierenden unabhängigen Pestizidexperten (www.pestizidexperte.de). Er entwickelte die Smartphone-APP „Essen ohne Chemie“ und ist Autor des gleichnamigen Blogs www.essen-ohne-chemie.info.
Das Bewusstsein, dass Pestizide für Menschen und Tiere langfristig schädlich sind, nimmt zu
Das französische Landwirtschaftsministerium, Spanien wie Italien verbieten jetzt, gemäss einer Meldung der Confédération paysanne, Insektizide auf Basis von Dimethoat. Das Insektizid wird als sehr gefährlich eingeschätzt und im Gemüse-, Früchte- und Obstanbau verwendet. Gerade bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) wird das Mittel eingesetzt: Die Agrochemie-Unternehmen BASF sowie Syngenta vertreiben es unter dem Namen Perfekthion gegen saugende und fressende Schädlinge. Gemäss der Homepage des Bundesamtes für Landwirtschaft (Stand 28.4.2016, Link wurde am 15.9.16 entfernt) kommt das Insektizid auch in der Schweiz zum Einsatz.
Die Abhängigkeit von Pestiziden hat in Kombination mit ihrer Allgegenwart dazu geführt, dass diese schädlichen chemischen Verbindungen mittlerweile fast jedes Ökosystem auf unserer Erde belasten. Auch die Bienen drohen deswegen auszusterben. Vor den dramatischen Folgen warnte jüngst auch die UN. Doch statt bienentötende Pestizide aus dem Verkehr zu ziehen, hält Bayer an seinen sogenannten Neonikotinoiden fest. Schlimmer noch: Bayer, BASF und Syngenta gehen soweit, gegen ein EU-Verbot dieser Pestizide zu klagen.
“Wahrscheinlich krebserregend” …
Auch bei Glyphosat, dem in jüngster Zeit als “wahrscheinlich krebserregend” meistdiskutierten Pestizid, gibt es schlechte Neuigkeiten: Obwohl allein in der Schweiz 25’340 Menschen mit Greenpeace, den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz AefU sowie der Stiftung für Konsumentenschutz SKS ein Verbot des gefährlichen Pestizids forderten und eine entsprechende Petition eingereicht haben, will die EU-Kommission Glyphosat für zehn weitere Jahre genehmigen und die Bundesregierung gesellte sich jüngst zu den 17 EU-Ländern, die für eine grundsätzliche Verlängerung der Glyphosat-Zulassung plädieren. Die Beschränkung der Zulassung, das Verbot von privater Nutzung sowie die Beschränkung der Vorernte-Anwendungen sind immerhin kleine Teilerfolge – der Widerstand gegen Glyphosat wächst. Die Hersteller pochen indes weiterhin auf die ursprünglich auch von der Kommission vorgeschlagene Genehmigungsfrist von 15 Jahren. Sie befürchten, dass mit dem Kompromissvorschlag der EU-Behörde ein Präzedenzfall für andere Zulassungsverfahren geschaffen werden könnte, schrieb die Bauernzeitung.
Seit 1985 existiert ein Internationaler Verhaltenskodex für das Inverkehrbringen und die Anwendung von Pestiziden. In dem Verhaltenskodex heißt es, dass die Pestizid-Industrie den Verkauf von Pestiziden stoppen und Pestizide vom Markt nehmen sollte, wenn der Umgang mit ihnen unter den gegebenen Anwendungsbedingungen ein unakzeptables Risiko darstellt. Ein unakzeptables Risiko ist zweifellos dann gegeben, wenn Menschen durch Pestizide wiederholt erkranken und sogar sterben oder wenn erhebliche Umweltschäden verursacht werden.
Nach rund drei Jahrzehnten erfolgloser Bemühungen ist es nun endlich an der Zeit, den Teufelskreislauf des Pestizideinsatzes zu durchbrechen und hochgefährliche Pestizide aus der Welt zu schaffen. Sie sind nicht mit einer nachhaltigen Zukunft vereinbar.
Petition gegen die Bienenkiller-Pestizide Neonicotinoide >>>
Umfangreiches Dossier über den Unkrautkiller Glyphosat auf Infosperber >>>