Vortrag von Hans Bieri, SVIL, gehalten im Rahmen der Tagung Macht keinen Hunger!? – Fleisch aus Weidehaltung, organisiert von der Allianz share for food.
In der heutigen hocharbeitsteiligen Warenproduktion dient die Ware in erster Linie dem Ertrag der Investitionen und erst in zweiter Linie dem Bedürfnis. Das wirkt sich beim hochsensiblen Fleisch, welches trotz aller Ökonomie (Zucht, Haltung, Fütterung, Schlachtung, Verteilung und Verkauf) ein Produkt der Natur bleibt, besonders konfliktreich aus. Auch die Konsumenten bestehen aus Fleisch, was deutlich aufzeigt, wie wir in erster Linie Teil der Natur sind. Und trotzdem verhalten und wirtschaften wir so, wie wenn die Natur reines Objekt und wir das alles beherrschende Subjekt wären. Fleisch als hochsensibler Lebensstoff gerät deshalb besonders „lebensnah“ in Konflikt mit unserer Art des Wirtschaftens. Es ist ein Konflikt, unter dem im weiteren Sinne die ganze Landwirt-schaft samt Naturgrundlage leidet. Das Lebensbedürfnis der Konsumenten ist mitbetroffen. Anlass, sich einige Zusammenhänge unseres Wirtschaftens als eine Art eines erweiterten Stoffwechsels mit der Natur bewusst zu machen.
1. Die starke Stellung der Tierhaltung in der Landwirtschaft
- Tierfabriken,
- Strukturwandel in der Landwirtschaft und steigende Kaufkraft der Konsumenten
- Wie steht es um das Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie?
- Globalisierung des Handels
Heute gehen ca. 80% des landwirtschaftlichen Rohertrages in der Schweiz auf die tierische und ca. 20% auf die pflanzliche Produktion. Das war nicht immer so. Haferbrot, Hirsebrei und Mus waren verbreitet in der „gelben“ Schweiz aus Ackerbau, Feldgras und Weidewirtschaft in der Zeit vor Eisenbahn und Industrialisierung, ergänzt durch Hausschlachtung, Fisch, Krebse und — längst nicht für alle — die Jagd.
Die „grüne“ Schweiz ist die Folge des Rückgangs des Ackerbaus, der durch Getreideimport verdrängt wurde.
Weil importiertes Getreide billiger war, verlagerte sich die Landwirtschaft auch im Talgebiet auf die Rindviehhaltung, die Milchproduktion, den Käseexport und mit wachsender Kaufkraft, die sich teurere tierische Kalorien leisten konnte, auch auf die Fleischproduktion.
Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der Schweiz der Ackerbau wieder aufgebaut. Weil die internationale Arbeitsteilung im Lebensmittelbereich nicht krisenfest war und die hohe Kaufkraft der Schweiz nichts nützte, hungerte man 1918 auch in der Schweiz. Dies weil fast kein Brotgetreide mehr angebaut wurde und das im Ausland gekaufte Getreide von den Alliierten beschlagnahmt und in die grossen Hungergebiete Osteuropas umgeleitet wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mit zunehmendem Einsatz von Hilfsstoffen, industriell fabrizierten Arbeitsmitteln sowie der anhebenden Konjunktur nahm der Druck auf die landwirtschaftlichen Produzentenpreise — als Preis-Kosten-Schere bekannt — weiter zu. Das heisst, die immer industrieller hergestellten Produktionsmittelpreise stiegen im Preis schneller als die landwirtschaftlichen Produkte. Denn die Landwirtschaft arbeitet mit der Natur, welche keine Ware ist und sich nicht beliebig industriell organisieren lässt. Dazu kommt die zunehmende Marktmacht der vor- und nachgelagerten Industrien der Wachstumswirtschaft. Im Versuch, das Einkommen zu halten, verschoben die Bauern die Produktion weiter in Richtung der wertschöpfungsintensiveren Tierveredlung. Auch die steigende Kaufkraft der Konsumenten erhöhte die Nachfrage nach Milch, Käse und Fleisch. Dabei kann man sagen, die Milchproduktion ist eine Funktion des Graslandes und die Kalb- und Rindermast ist grundsätzlich eine Funktion der Milchproduktion. Demgegenüber ist die Schweine- und Geflügelproduktion eine Funktion des Ackerbaus bzw. der folgenden Resteverwertung. Die pflanzliche menschliche Ernährung ist ebenfalls eine Funktion des Ackerbaus. Hier besteht die Flächenkonkurrenz innerhalb des Ackerbaus zwischen menschlicher pflanzlicher Ernährung und Futtermittelproduktion für die Tiermast.
Das Optimum der direkten Flächenkonkurrenz zwischen Grasland und Ackerland ist durch die natürliche Eignung und durch den Nährstoffkreislauf des Ackerbaus naturräumlich und biologisch stark vorbestimmt. Die traditionelle bäuerliche Betriebsstruktur der gemischtwirtschaftlichen Betriebe entstammt aus der Berücksichtigung dieser Zusammenhänge.
Das Gemenge der traditionellen Landwirtschaftsbetriebe ist gekennzeichnet durch sehr unterschiedliche Betriebsgrössen. Deshalb konnte den sinkenden Einkommen nicht einfach mit Betriebsvergrösserung, um Skaleneffekte zu nutzen und billiger zu produzieren, begegnet werden. Flächenwachstum, also die horizontale Aufstockung, das heisst die Vergrösserung der Betriebsfläche, war wegen hohen Investitionen in Boden und Bauten gerade auch im hochpreisigen Industrieland wie der Schweiz beschränkt. Folglich haben Kleinbetriebe ihre fehlenden Flächen durch Futtergetreideimport zu ersetzen versucht. Denn der Fleischabsatz war steigend. Der Sonntagsbraten wurde für alle erschwinglich. Die Überdüngung in den Kantonen Luzern und Thurgau war eine Folge dieses Prozesses. In diesen Kantonen mit intensiver Milch- und Käseproduktion waren auch die Mästereien mit der Schottenverwertung aus den Käsereien sehr zahlreich. Sobald billiges Importfutter erhältlich war, wurden weitere bodenunabhängige gewerbliche Mästereien angegliedert.
Diese Entwicklung passte aber zunehmend jenen Bauern im Inland nicht, deren Betriebe genug Flächen hatten, um auch Futtergetreide zu produzieren. Sie sahen, dass der Futtergetreidebau durch den Import der „Bahnhofbauern“ bedroht war. Als der Inlandkonsum dann an Grenzen stiess, änderte sich die Gesamtlage. Die Überschussverwertung kostete Steuergelder. Es folgte die Kritik, dass auch die Konsumenten im Vergleich zum Ausland höhere (Fleisch)preise bezahlen. Kritisch tönte es auch von Seiten der nachgelagerten Verarbeiter und Verteiler, die auf bessere Margen hofften, welche der Import ihnen bieten würde. Die Kritik an der Landwirtschaftspolitik und an den Preissubventionen nahm weiter zu.
In dieser Situation — also vor der Ersten Kleinbauerninitiative von 1983 — lancierten die Milchbauern 1978 die „Initiative gegen übermässige Futtermittelimporte und Tierfabriken sowie für die bestmögliche Nutzung des einheimischen Bodens“. Mit Milchkontingentierung, Höchsttierbeständen, Stilllegungsprämien, Stallbaubewilligungspflicht für Mastställe etc. wurde versucht, der Lage Herr zu werden. Die Hauptprobleme waren die Überschussverwertungskosten und die damals fast 400’000 ha Ackerbaufläche im Ausland vorwiegend für die Tiermast im Inland. 1983 lancierte die Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern VKMB die „Initiative für ein naturnahes Bauern — gegen Tierfabriken“. Die Kritik an den Tierfabriken bezog sich auf die Schweine- und Geflügelmast. Die steigende Milchrechnung war Ausdruck des generellen Einkommensproblems. Auch die dann später direkt ausbezahlten Einkommensstützungen haben diese magische „Milliardengrenze“ nie rückgängig gemacht.
Doch der Mengenkonflikt konnte noch immer nicht gelöst werden. Das GATT zog in der Uruguay Runde Ende der 80er und in den 90er Jahren die Landwirtschaft in die Handelsverhandlungen ein. Die Preissubventionen kamen unter Druck und mussten abgebaut werden. Als Lösung wurden die schon seit anfangs der 70er Jahre diskutierten Direktzahlungen — also produktionsunabhängige Einkommenszahlungen — eingeführt. Im Wesentlichen wurde nach Betriebsfläche und klimatischer Eignung sowie nach Anzahl der auf dem Betrieb gehaltenen Grossvieheinheiten des Rindviehbestandes durch sog. Tierbeiträge entschädigt. Für die Schweine- und Geflügelhaltung wurden keine Tierbeiträge ausgerichtet.
1990 lancierte der Schweizerische Bauernverband eine Landwirtschaftsinitiative, 1991 folgte die Bauern- und Konsumenten-Initiative und 1994 die Zweite Kleinbauerninitiative. Diese Bewegung mündete 1996 in den neuen Artikel 104 der Bundesverfassung.
Da die Landwirtschaft bzw. die Ernährung den Stoffwechsel des Menschen mit der Natur betrifft, ist die Landwirtschaft mit der Flächennutzung und der Nutzung des gesamten Wohn- und Wirtschaftsraumes materiell vielfältig verbunden. Parallel zur oben beschriebenen Entwicklung, ebenfalls unter dem Eindruck des GATT lancierte deshalb der Berner Ständerat Zimmerli 1991 eine Motion. „Im Interesse einer wirtschaftlich gesunden, modernen schweizerischen Landwirtschaft“ wird der Bundesrat beauftragt, den eidgenössischen Räten rasch eine Teilrevision des Raumplanungsrechts zu unterbreiten. Es wurde verlangt:
- die in der Landwirtschaftszone als zonenkonform geltende Nutzung zeitgemäss neu zu umschreiben und
- eine flexiblere Ordnung der Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen zu schaffen, die es den Kantonen gestattet, den regional verschiedenen Bedürfnissen der Landwirtschaft nach Befriedigung der Wohnbedürfnisse und nach ergänzender gewerblicher Tätigkeit besser Rechnung zu tragen. Die Expertenkommission Durrer und die Vernehmlassungsvorlage des EJPD schlugen vor, in der Landwirtschaftszone auf das Kriterium der Bodenbewirtschaftung zu verzichten; der Bauer sollte also alles bauen können, was sein Landwirtschaftsbetrieb erforderte, selbst wenn dies eine bodenunabhängige Betriebsweise betraf (z.B. Hors-Sol-Gewächshäuser, Intensivtiermast, Lager- und Verkaufsräumlichkeiten etc.) – die Erlaubnis, bestehende landwirtschaftliche Bauten unter bestimmten Bedingungen zu Wohn- und Gewerbezwecken umzunutzen.
Mit dieser neuen Zielsetzung — im Gefolge des GATT — wurde die gesamträumliche Betrachtung der Landwirtschaft als eine zusammenhängende Produktionsstruktur, die sich nach innenkolonisatorischen Grundsätzen des naturräumlichen und biologischen Optimums zur besseren und sicheren Versorgung der Bevölkerung nach Massgabe der technischen und arbeitsorganisatorischen Möglichkeiten — auf der Basis des Familienbetriebes — entwickelt und gefestigt hatte, aufgesplittert und einem Auflösungsprozess ausgesetzt, der in der AP 14-17 mit der Streichung der Tierbeiträge deutlich hervortritt.
Die Kritik am Schutz einer eigenen, flächendeckenden Landwirtschaft und an deren Grenzschutz basiert einerseits direkt auf den Interessen am angestrebten Agrarfreihandel, und andererseits stützt sie sich auf eine Umweltkritik, die bei näherer Betrachtung immer noch auf dem gängigen Naturverständnis der Natur als Objekt der Wirtschaft beruht. Da wirtschaftliches Wachstum in der jetzigen historischen Epoche zwingend auf Naturverbrauch beruht, könne deshalb die Natur mit ihrer Artenvielfalt — so die Meinung der Schutzorganisationen — nur durch Reduktion der Wirtschaftstätigkeit geschützt werden. Da nun eine Reduktion des gesamtwirtschaftlichen Wachstums als Reformziel nicht mehrheitsfähig ist, richtet sich der Fokus stellvertretend und exemplarisch auf die Landwirtschaft, welche als einziger Wirtschaftszweig deutlich an die Fläche gekoppelt ist und deshalb auch als die Umwelt bestimmender Faktor das Interesse der wirtschaftlich stärkeren Kreise auf sich gezogen hat. Demgegenüber sind die Betriebsstandorte der Industrie punktuell und deshalb für das Artensterben prima vista weniger relevant. Entsprechend dieser Einschätzung sei es Aufgabe der Agrarreform, die Wirtschaftstätigkeit der Landwirtschaft zu drosseln bzw. zu extensivieren. Im Vergleich zur geopferten Wirtschaftsleistung sei der Umwelteffekt in der Landwirtschaft überproportional, sodass mehr Ökonomie (weniger und rationellere Betriebe) problemlos mit „mehr Ökologie“ vereinbar sei (—> rückwärts gerichtete Anwendung des Gesetzes vom abnehmenden Ertragszuwachs). Innerhalb der Landwirtschaft sei es die Tierhaltung, also die Fleischproduktion, welche die Umwelt am meisten belaste. Die grösste Entlastung zu Gunsten der Umwelt könne daher mit der Reduktion der Tierhaltung erreicht werden. Eine deutliche Extensivierung der Landwirtschaft helfe zudem die Hürde zum Agrarfreihandel zu senken und mache gleichzeitig bedeutend mehr Flächen frei für mit der Bevölkerungszahl wachsende Ansprüche aus den verstädterten Gebieten nach „mehr Natur“.
Aus dem Gesagten wird verständlich, warum es zwischen Economiesuisse und Pro Natura in Bezug auf die Agrarpolitik und die eingeleiteten Massnahmen einen handfesten Konsens gibt. Es wird auch klar, warum die Streichung der Tierbeiträge bei den Direktzahlungen in der AP 14-17 von der Argumentation her eine zentrale Bedeutung spielte, obwohl die Schweine- und Geflügelproduktion, die vorwiegend mit importiertem Futtergetreide betrieben wird, durch die Streichung der Tierbeiträge durch die AP 14-17 gar nicht betroffen ist. Betroffen sind jedoch alle Rindviehhalter. Offiziell begründen aber die Befürworter der AP 14-17 die Streichung der Tierbeiträge mit dem unökologischen Import des Futtergetreides, welches in den Schweine- und Geflügelmastställen verfüttert wird. Demgegenüber und nicht weniger widersprüchlich lehnt die AP 14-17 die Förderung des inländischen Futtergetreidebaues ganz klar ab. Betroffen im negativen Sinn ist deshalb die breite Struktur der Rindviehhalter, die schon bisher auf der einheimischen Rauhfutterbasis fussen. Die Streichung der Tierhalterbeiträge hat deshalb das nicht deklarierte Ziel, die breite Struktur der Rindviehhalter weiter zu extensivieren. Das darf man aber nicht mit der in der Öffentlichkeit akzeptierten Kritik an den Tierfabriken begründen. Denn dass bei der Extensivierung des Rindviehbestandes der Futtergetreideimport sich namhaft reduzieren würde, tritt nicht ein, weil dieses Futtergetreide an die Schweine- und Geflügelhaltung geht. Die heute bestehenden Betriebe mit Rindviehhaltung erfüllen nämlich bereits jetzt problemlos die Anforderungen der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion. Deshalb können die GMF-Programme die gestrichenen Tierbeiträge nicht ersetzen. Zwar redet die AP 14-17 viel zu viel von Qualität, unterlässt es aber, gerade die Qualität der Fleischproduktion durch Erhöhung der Standards bei der Fütterung zu stärken und beispielsweise die Silograsfütterung während der Vegetationspariode, Silomais etc. weiter zu reduzieren zu Gunsten nährstoffreicher Wiesen.
Es stellt sich deshalb die Frage, was diese Extensivierungsdiskussion, welche die AP 14-17 mit der durchgesetzten Streichung der Tierbeträge verbindet, eigentlich will? Ist es richtig die Anzahl der Betriebe und die Arbeitskräfte pro Fläche weiter zu reduzieren, wenn man doch sieht, dass die Ernährung und die Bodenbewirtschaftung in Zukunft nachhaltiger organisiert werden muss?
Wie steht es um das Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie?
Aktuell ist es so, dass die Wachstumswirtschaft die Naturgrundlage verbraucht. Was die Natur während hunderttausenden von Jahren an nutzbarer Lebensgrundlage, z.B. Ackerböden, aufgebaut, gleichsam kapitalisiert hat (Hans Christoph Binswanger), wird heute in der herrschenden Wachstumswirtschaft entkapitalisiert zu Gunsten der Vermögensbildung. Wie wir sehen werden, ist diese Art des Wirtschaftens auf eine bestimmte historische Epoche beschränkt. Wenn wir also feststellen, dass eine bessere Befriedigung unserer Bedürfnisse dadurch erkauft ist, dass die Wirtschaftstätigkeit die Natur entkapitalisiert und somit nur auf einer Umverteilung von der Natur zu einer an den Bedürfnissen vorbei sich entwickelnden Verschleisswirtschaft beruht, dann ist das ja kein Fortschritt, der in Zukunft als Errungenschaft stabil bleibt. Ebenso sind die Vorschläge von Pro Natura, den negativen Einfluss der menschlichen Wirtschaftstätigkeit auf die Natur durch „Extensivierung“ der Landwirtschaft zu Gunsten des Importes zu beheben, keine Lösung. Das hiesse nämlich, den Konflikt lediglich zu verlagern. Im konkreten Fall der Schweiz heisst das: die weitere Verlagerung der extraktiven Landwirtschaft im Rahmen der Globalisierung in andere Weltgegenden.
Es muss aber eine Lösung gefunden werden, wie der wirtschaftliche Stoffwechsel mit unserer Lebensgrundlage erweitert werden kann, ohne die Naturgrundlage zu reduzieren oder gar zu zerstören.
Sieht man die Lösung des Konfliktes zwischen Wachstumswirtschaft und Naturgrundlage lediglich bei der Extensivierung, also bei der Reduktion der Wirtschaftsaktivität bezogen auf eine bestimmte Bodenfläche, so kann oberflächlich betrachtet die grösste Wirkung bei der Reduktion der Tierhaltung erreicht werden. Dies ist die Umkehrung des einleitend erwähnten Trends der Landwirtschaft zur wertschöpfungsstärkeren Fleischproduktion. Nur muss aber deutlich unterschieden werden zwischen den graslandabhängigen Rindern und den am Ackerbau hängenden Schweinen und Geflügel. Auf der Basis dieser Unterscheidung ist die Ernährung als Stoffwechsel der Menschen mit der Naturgrundlage zu konzipieren. Der Stoffwechsel ist nicht eine marktwirtschaftliche Veranstaltung. Die Ernährung geht weit in den Lebensbereich des Menschen und der ihn umgebenden Natur hinein, die nicht ein Produkt der Wirtschaft ist.
Darüber hinaus ist aber auch die gesamte Wirtschaftstätigkeit als Stoffwechsel der Menschen mit der Natur zu verstehen und somit zu prüfen, ob die Warenwirtschaft generell mit der Naturgrundlage im Konflikt steht und eine nachhaltige Gestaltung unseres natürlichen Stoffwechsels mit der Natur angezeigt ist?
2. Tierhaltung und Fleischproduktion in Clinch der Konflikte und ein Klärungsansatz für ein neues ganzheitliches Naturverständnis
Konflikte:
- Die Bauern kommen nicht mehr mittels Produktepreisen zu ihrem Einkommen;
- der Landwirtschaftsboden muss zunehmend nichtlandwirtschaftlichen Nutzungsinteressen dienen;
- das Ungleichgewicht zwischen Boden und Bevölkerungszahl als Folge einer globalen räumlichen Spezialisierung führt zur Verlagerung von Futtergetreideflächen in weit entlegene Weltgegenden und verursacht zusätzliche ökologische Probleme. Pro zusätzlichen Einwohner müsste die Futtergetreidefläche bis Faktor 10 zunehmen, was die Grenzen aufzeigt. Die Auseinandersetzung mit dieser Grenze der Wachstumswirtschaft wird zur Zeit immer noch massiv gebrandmarkt.
- Die Fleischproduktion selbst unterliegt einem Rationalisierungsdruck als Folge der Wachstumswirtschaft. Skalenökonomie wird zur dominanten Forderung in der Haltung, Fütterung zur Schlachtung, Affinage und Haltbarmachung. Fleisch als das Frischprodukt par excellence wird immer mehr aus dem natürlichen Lebenszusammenhang entfernt. Der Fleischkonsum leidet an der Entfremdung von der Natur.
- Obwohl die Direktzahlungen in Form der Tierbeiträge bisher bewusst an die bereits bisher graslandbasierte Rindviehhaltung und nicht an die ausschliesslich mit Importgetreide gefütterten Schweine und die Geflügelmast geknüpft waren, wurden sie neulich in der AP 14-17 gestrichen. Aber die Rindviehhaltung hängt nicht vom Futtermittelimport ab, wie offiziell kommuniziert wird. Warum behauptet das der Bundesrat dann?
- Die Streichung der Tierbeiträge schwächt direkt die bäuerliche Landwirtschaft.
- Während die Landwirtschaft extensiviert werden soll, nimmt die Erholungsnutzung des ländlichen Raumes, die touristische Vermarktung und die Personen- und Verkehrsfrequenz seit Jahrzehnten ständig zu.
- In den letzten 10 Jahren ist der Hilfsstoffeinsatz der Landwirtschaft eindrücklich reduziert worden. Die natürliche Artenvielfalt hat jedoch weiter abgenommen. Da die Landwirtschaftszone immer multifunktionaler genutzt wird, ist nicht geklärt, ob der Rückgang der Artenvielfalt auf die im gleichen Zeitraum gestiegene nicht-landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen ist oder, wie der Agrarbericht annimmt, ob der Hilfsstoffeinsatz noch mehr als bisher reduziert werden muss.
Könnte es sein, dass die letztlich doch auch von der Art der Bodenkultur abhängige Artenvielfalt nicht durch die Tierzahl, sondern durch die Skalenökonomie, den fehlenden Humusaufbau und fehlende Arbeitskräfte negativ beeinflusst wird?
Klärungsansatz:
Der Agrarreform und ihrer Art der Kritik an der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft liegt ein rein statisches und nicht ein funktionelles Naturverständnis zu Grunde. Eigentlich will man nur beweisen, dass die Beseitigung der Landwirtschaft (ein handelspolitisches Postulat) gerade auch für die Umwelt gut sei. Das Angebot der Extensivierung der Produktion ist für die Umweltorganisationen verführerisch, weil es ihre Themenbereiche wie Artensterben etc. aufwertet, jedoch um den Preis der Fixierung jenes statischen Naturverständnisses, wie es der herrschenden Warenwirtschaft zu Grunde liegt. Natur als Depot, auf das der Mensch einseitig — solange es hat — zugreifen kann.
Neues Naturverständnis notwendig
Das Naturverständnis muss beim Stoffwechsel als Lebensprozess ansetzen und nicht beim einzelnen Natur-„Eingriff“. Unsere eigene fleischliche Natur ist Teil dieses Stoffwechsels. In diesem Stoffwechsel der Natur sind wir entstanden und müssen wir uns bewegen. Diesen umfassenden Stoffwechsel einfach zu übersehen und in einer Subjekt-Objekt-Perspektive als Eingriff des Menschen auf die Natur zu reduzieren, als ob der Mensch nicht ebenso Teil der Natur ist, begreift die Natur nach wie vor als Objekt sowohl der Ausbeutung, aber auch als Objekt von einzelnen korrigierenden „Schutzmassnahmen“. Aber diese Schutzmassnahmen sind in Anbetracht des bereits angerichteten Schadens wirkungslos. Sie beseitigen ausgerechnet die bäuerlichen Strukturen, welche den Stoffwechsel mit der Natur aufgebaut und ohne petrochemische Hilfsstoffe intensiviert haben, lange vor der heute dominierenden hilfsstoffbestimmten Warenwirtschaft. Stattdessen müssen doch die Ursachen, welche die bäuerlichen Strukturen an ihrem bisher erfolgreichen Stoffwechsel mit der Natur immer mehr hindern, klar herausgearbeitet und behoben werden. Das ist das Anliegen des Weltagrarberichtes!
Entscheidend für ein unsere Existenz sicherndes Naturverhältnis ist deshalb, die bisherige Subjekt-Objekt-Spaltung zu überwinden und das Wirtschaften als erweiterten Stoffwechselprozess zu begreifen. Das heisst, die Trennung von Ökonomie und Ökologie ist obsolet. Wenn die Natur weiter als Objekt verstanden wird, wird sich an der bisherigen Ausbeutung und Verknappung der Naturgrundlage nichts ändern, auch die Naturverknappung wird nach dem bisherigen Naturverständnis als Objekt bewirtschaftet. (—> Green economy, Rio+ 20). Soweit es noch hat, werden zudem immer weitere Flächen meist durch Land grabbing in Anbau genommen. Der Verlust an den während Jahrzehntausenden natürlich kapitalisierten Böden geht ungeachtet weiter. Ungeklärt bleibt dabei die Grundfrage, was unsere Erde überhaupt bewohnbar macht? Um angeblich die Umwelt zu schonen, wird immer weiter der warenwirtschaftlichen Vernutzung der Naturgrundlage folgend vorgeschlagen, die Lebensmittelproduktion in den Bioreaktor zu verlegen. Ob dies gelingt, aus Gluten direkt Fleisch, welches das frische Fleisch der Tiere ersetzt, herzustellen, können wir vorläufig offen lassen. Denn die Frage der Rekultivierung der zerstörten Böden, um den Verwüstungsprozess auf der Erde aufzuhalten, kann damit nicht gelöst werden. Wir müssen uns mit unserer Lebensumwelt als Ganzes befassen.
Wir müssen zurückkommen auf eine bäuerliche Landwirtschaft mit genügend Arbeitskräften, welche eine nachhaltige Bewirtschaftung der Naturgrundlage und langfristig eine Gesundung der Landwirtschaftsböden sichert. Und wir müssen die Ursachen, die dem entgegenstehen, beheben.
Sicher ist es auch so, dass unsere Essgewohnheiten durch den geschilderten ökonomischen Prozess bereits mitbestimmt werden. Auch hier stellt sich die Frage, wie unsere Ernährung aussehen würde, wenn sie durch einen bedürfnisbestimmten Kulturprozess geprägt würde und nicht durch eine am Kapitalerwerb orientierte Warenwirtschaft zunehmend bestimmt würde. Ist die heutige Art von Fleischproduktion und Fleischkonsum nicht an einen Punkt gelangt, wo dieser entsprechend seinem Warencharakter nicht mehr ausreichend unseren körperlich-fleischlichen Bedürfnissen dient? Also neben dem äusseren Verwüstungsprozess auch eine Verödung der Ess- und Konsumkultur? Wird deshalb nur noch ein abnehmender Teil des Tieres gegessen, weil die Distanz zwischen Schlachtung und Konsum zu gross, die Frischverteilung wegen den wegrationalisierten mittelständischen Metzgereien und damit die Information an die Kunden fehlt?
Die Umweltschäden, die Reduktion der Artenvielfalt, der einseitige Fleischkonsum etc. sind das Resultat eines geschädigten Stoffwechsels. Aber nicht das menschliche Eingreifen an sich ist das Problem, sondern das Eingreifen aus einer bestimmten reduktionistischen, einseitigen wirtschaftlichen Interessenlage heraus.
Die Wirtschaft muss deshalb so gestaltet werden, dass bei der Wirtschaftstätigkeit die Naturgrundlage erweitert und nicht geschmälert wird. Als eigentlicher Lebensprozess muss die Wirtschaft der Entropie entgegenwirken und nicht die Degradation der Naturressourcen beschleunigen.
3. Warum ist der Stoffwechsel Mensch — Naturgrundlage gestört? Die Grenzen der Warenwirtschaft
Anstatt hier für die Tierbefreiung oder die Befreiung der Erde von den Menschen zu referieren, möchte ich deshalb an die Qual des Erysichthon, sich selbst aufzufressen, erinnern und der Frage nachgehen, ob Fleisch überhaupt Ware sein kann? Oder liegt der Konflikt ‚Ökonomie — Ökologie’ an der Art und Weise, wie die Warenwirtschaft selbst verfasst ist? Der griechische Mythos handelt davon, wie der König Erysichthon seinen Festsaal mit Holz der grössten Bäume aus dem Heiligen Hain täfern will. Demeter droht Erysichthon, ihn mit ewiger Fresssucht zu bestrafen, wenn er das Biotop zerstöre. Unbeeindruckt von der Warnung liess er trotzdem die Bäume fällen. Erysichthon wurde fortan von unersättlichem Hunger geplagt, bis er das ganze Land leergefressen hatte und am Schluss unter grössten Qualen seine eigenen Glieder auffressen musste. Erysicht-hon zerstört sich selbst, weil er nicht fähig war zu erkennen, dass die Natur nicht ein Objekt ist, das geplündert werden kann, sondern dass die Natur Teil seiner selbst, sein eigenes Leben ist. Durch das Auffressen seines eigenen Fleisches hat Demeter Erysichthon veranlasst, seine Subjekt-Objekt-Trennung qualvoll aufzuheben.
Auf der einen Seite existiert die Lebenswelt, unser Fleisch, welches Stoffwechsel mit der Umwelt, unserer Lebenswelt, treiben muss. Wenn uns jedoch die Natur in unserem Jäger- und Sammlerdasein nicht mehr genug Nahrung bietet, müssen wir arbeiten, d.h. uns so organisieren, dass wir gleichsam die Naturgrundlage erweitern und unsere Ernährung und Behausung sichern können. Wir dürfen unsere Existenz aber nicht durch Verbrauch der Natur sichern, was zeitlich beschränkt möglich wäre. Das haben wir soeben von Demeter gelernt. Warum sind wir aber heute nicht in der Lage, uns zu entwickeln, ohne die Naturgrundlage zu verschlechtern?
Die Ware
In der Subsistenzwirtschaft decken die Kleingemeinschaften ihre Bedürfnisse selbst. Waren, welche den Eigenbedarf übersteigen, werden direkt getauscht oder gegen Geld und dann wieder gegen eine andere Ware, die verbraucht wird, eingetauscht. Geld hilft den Tauschbereich zu erweitern. Der Wert der tauschbaren Waren orientiert sich am Bedürfnis.
In der industriellen, hocharbeitsteiligen Wirtschaft, arbeitet jeder für den andern. Die Ergebnisse der Arbeit müssen deshalb auch allen zukommen. Das wäre die Aufgabe eines freien Sozialprozesses. Der Wert der erzeugten Waren muss den Einkommen entsprechen. Nun will aber der heutige Investor, wie einst Erysichthon, mehr für sich haben, als ihm nach Gesellschaftsvertrag der Arbeitsteilung zusteht. In der arbeitsteiligen Gesellschaft konkurrieren Kapital- und Lohneinkommen. Kapitaleinkommen gehen auf Kosten der Lohneinkommen. Damit bliebe ein Teil der Waren unverkäuflich, was den Kapitalgewinn wieder aufheben würde. Deshalb wählt der moderne Erysichthon den Weg der Kreditschöpfung aus dem Nichts. Er erweitert die Produktionssphäre durch wirtschaftliches Wachstum, das jedoch zwingend die Ausdehnung des Naturverbrauches bedingt. So schreitet die Wirtschaft von Produktionszyklus zu Produktionszyklus fort. So wächst die Wirtschaft von Periode zu Periode über Kreditschöpfung einerseits auf Kosten des dazu unerlässlichen Mehr an Naturverbrauch andererseits. (Hans Christoph Binswanger, Die Wachstumsspirale).
Am Anfang der Produktion steht bei der Wachstumsspirale deshalb nicht der Bedarf sondern das Gewinnziel. Durch einen tieferen Konkurrenzpreis muss der Absatz erobert und ausgeweitet werden. Anstatt der Gesellschaft den Nutzen des reduzierten Aufwandes als Möglichkeit einer durch freie Kultur geleiteten Lebensgestaltung — eben auch einer artgerechten Tierhaltung — zu belassen, geht der Rationalisierungsertrag vollständig in der erweiterten Kapitalverwertung der Warenwirtschaft auf. In der arbeitsteiligen Wachstumswirtschaft beginnt der Produktionsprozess deshalb mit dem Kauf der Ressourcen und der Arbeitskräfte. Der Produktionsprozess beginnt mit dem Geldvorschuss, der aus einem vorangegangenen Kapitalbildungsprozess akkumuliert wurde. Anstatt dass der Produzent ausschliesslich gegen eigenes angespartes Geld Waren kauft, die er nach Verarbeitung wieder gegen Geld verkauft, kann er mehr Waren und Ressourcen gegen Kredit kaufen.
Wer jedoch Geld vorschiesst, Kredit gibt, verlangt einen Gewinn, ein Inkrement. Die Ware muss nun das Kunststück vollführen, einerseits das Inkrement in Geldform zu ermöglichen, um den Kredit zu bedienen und gleichzeitig die Bedürfnisse all jener decken, die an diesem gemeinschaftlichen Arbeitsprozess beteiligt sind.
Was eigentlich naheliegend wäre, wird bis jetzt durch einen eigentumsrechtlichen Anspruch auf ein Inkrement verhindert. Warum kann die bäuerliche Landwirtschaft als gesamte Struktur nicht von den Arbeitserleichterungen der Industrialisierung profitieren, aber bezüglich Umgang mit Boden, Pflanzen und Tieren nicht die angestammte Struktur behalten?
So wirkt eben auch bei der Fleischproduktion ein kapitalerwerbsorientierter Treiber, die Fleischproduktion mit Land grabbing, industrieller Mast an den Bedürfnissen nach Qualität und am Genuss vorbei ständig auszuweiten und zu Lasten des Tierwohls immer weitere Skaleneffekte durch Massentierhaltung, Wachstumsförderer etc. zu nutzen.
4. Wie die Schafe im Auftrag ihrer Eigentümer die Menschen auffressen — Eigentum und Kredit als Ursachen der entfremdeten Ware
Die Entwicklung der Produktivkräfte gegenüber der alten ständischen Ordnung wird durch das liberale Eigentum und über den Geldkredit vorangetrieben. Eigentum und Kredit sind aus einem gesellschaftlichen Zusammenhang entstanden, der das heute nicht gelöste Problem bereits im Status Nascendi aufzeigt.
Eigentum
In Utopia schildert Thomas Morus die Situation, wo die Schafe, diese doch friedliebenden Vegetarier, die Menschen auffressen, ganze Dörfer, ja sogar Kleinstädte auslöschen. Getötet wurde Morus dann aber von den Menschen und zwar von der Herrschaftsschicht selbst, die von Morus des Wortbruchs und des gesellschaftsschädlichen Egoismus bezichtigt wurde. Jene Adelsschicht, die mittels der Einhegungen (enclosures) sich zusammengelegtes Land angeeignet und die Dörfler verjagt hatte, ging in der bürgerlichen Revolution dazu über, die Bauerndörfer wegzurationalisieren, den investitions- und arbeitskraftintensiven Acker- und Gartenbau aufzulösen und durch Beweidung durch Schafe zu ersetzen. Dadurch konnte der Landeigentümer einen gegenüber dem bisherigen arbeitsintensiven Ackerbau bedeutenden Mehrwert bilden und den privatisierbaren Ertrag wesentlich steigern. Zwar konnten dann auf der gleichen Landfläche nur noch eine verschwindend kleine Anzahl Menschen ernährt werden. Also mussten die Menschen dem von ihren ‚Mitmenschen’ verursachten Hunger entkommen, auswandern, im Mississippidelta die Indianer verjagen, mit afrikanischen Sklaven, deren Wirtschafts- und Sozialstrukturen ebenfalls zerrüttet wurden, für die Ostindische Companie Lebensmittel für Grossbritannien produzieren und die Aktienkurse der Bank of England stärken. Die Schleifspur nahm hier ihren Anfang und dehnt sich bis heute über die uns bekannten Kriege und Konflikte immer weiter aus. Die englischen enclosures waren die ersten Schritte des Land grabbing. Je mehr wir die Metropolen durch Zuwanderung weiter verdichten, umso schwieriger wird es, die eigene Landwirtschaft aufrechtzuerhalten, umso mehr wächst der Anreiz, die Nahrungsmittel in der globalen Peripherie anzubauen. Diese räumliche Spezialisierung im globalen Massstab ist nicht nachhaltig, aber sie erschliesst weiteres Wachstum und zwar auf eine Weise, welche die Naturgrundlage verschlechtert, sei es in den metropolitanen Zentren oder in der globalen Peripherie. Je weiter dieser Schaden voranschreitet, umso mehr entstehen neu Bedürfnisse aus der Schadensentwicklung heraus, die — dem Zauberlehrling ähnlich —, das Schaden verursachende Wachstum vorantreiben — bis zur Auslagerung der Fleischproduktion mittels Zusammenbau von Glutenen in der Petrischale, bis zur Produktion einer Lebenswelt ausserhalb der Lebenswelt….
Die Wirtschaft und die Landwirtschaft im Besonderen muss als erweiterter Stoffwechsel des Menschen mit der Natur verstanden werden. Der Nutzen des Fortschritts in der Landwirtschaft ist die Freistellung der Arbeitskräfte für Gewerbe, Industrie, Dienstleistung etc. Solange jedoch der Produktivitätszuwachs durch die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche angeeignet wird und die in der Landwirtschaft eingesetzten Hilfsstoffe diesen Prozess nur weiter antreiben, kommen wir aus diesem Teufelskreis der Qualitätsverschlechterung nicht heraus. Die Reduktion der tierhaltenden Landwirtschaftsbetriebe löst dieses Problem nicht. Im Gegenteil werden dadurch die Strukturen, die wir für eine nachhaltige Landwirtschaft brauchen, zerstört. Die Tierhaltung bringt aktuell nur zum Ausdruck, dass die kapitalerwerbsorientierte Wachstumswirtschaft nicht in der Lage ist, einen umwelterträglichen Wohlstand zum Nutzen aller Menschen zu organisieren. Dieser gesellschaftliche Gestaltungsspielraum, dieses Entwicklungspotenzial wird durch eine kapitalerwerbsorientierte Wachstumswirtschaft der Gesellschaft nicht zugestanden.
Kredit
Das gesellschaftlich durch die Arbeitsteilung zustande gekommene Inkrement eignet sich — analog dem Land grabbing – der Kreditgeber an mittels des vorgeschossenen Geldes. Wie bereits erläutert, ist dieser Anspruch jedoch nur realisierbar, wenn der Wirtschaftsprozess ständig auf Kosten der Naturressourcen Jahr für Jahr ausgedehnt wird. Somit ist der Anspruch auf ein Inkrement nur auf Kosten der De-Kapitalisierung der Natur ‚realisierbar’. Das Inkrement ist Raub an der Natur. Der Versuch, das Inkrement aus dem wirtschaftlichen Stoffwechsel herauszulösen und privat anzueignen, erzwingt eine Wachstumsspirale auf Kosten der Umwelt. Der Zwang ist der Gewinnanspruch. Er wird gespiesen durch die Ausweitung des nächsten Produktionszyklus’, was aber nur möglich ist, solange die Produktion mit zusätzlichen Stoffen aus der Natur erweitert werden kann.
Die arbeitsteilige Warenproduktion muss dem Bedürfnis dienen. Die Arbeitsteilung und dadurch die Einsparung von Arbeit und Stoffen können, wenn die Produktion und der Naturverbrauch auf das Mass der Erneuerbarkeit ausgerichtet werden sollen, nur der Kaufkraft zugute kommen. Das heisst, mehr Güter zum Verbrauch bei gleich bleibendem Einkommen und gleich bleibendem Arbeits- und Stoffaufwand. Es gibt kein Interesse und keinen Zwang am Bedürfnis vorbei zur ständigen mehr Natur verschleissenden Produktionsausweitung. Folglich ist die Nutzung von Skalenerträgen in der Tierhaltung nicht mehr notwendig, um das Einkommen zu halten, da die Preis-Kosten-Schere wegen dem Wegfallen des ständigen Wachstumszwanges sich schliessen wird. Bei Bedarf ist es durchaus möglich, dass der Rationalisierungsgewinn zur Erweiterung der Produktion verwendet wird, aber eben nur, wenn dies vom Bedarf her erwünscht ist. Die Wirtschaft dient also dem Bedürfnis und wird allein durch das Bedürfnis und nicht durch die Wachstumszwänge geleitet. Damit werden Lebensmöglichkeiten wieder verfügbar für den Kulturprozess, die sonst immer mehr eingeengt wurden zu Gunsten des Leistungszwanges, nämlich sinkendes Einkommen mit immer mehr Leistung ausgleichen zu müssen. Es ist das, was wir als Verschleisswirtschaft wahrnehmen und über deren Ursachen wir mehr Bewusstsein und Wissen erarbeiten müssen.
Davon ist unsere Lebenswelt direkt betroffen, davon sind aber auch die Tiere, unsere Nutztiere und auch engen entwicklungsgeschichtlichen Begleiter in unserem Lebensraum mitbetroffen. Wenn wir diese Tiere so halten, wie wir niemals leben möchten, weist das auf eine Verdrängung eines gesellschaftlichen Streitpunktes hin, der nicht ausgetragen wird.
Fazit:
Die Probleme um Tierwohl, Fleischkonsum und Ernährung sind Ausdruck des Konfliktes der Wachstumswirtschaft mit der Naturgrundlage. Wie Thomas Morus schon gezeigt hat, liegt ein ganz handfester gesellschaftlicher Konflikt vor.
HB, 23. Nov. 2014 / 6. Dezember 2014