Grüne Wiesen mit grasenden Kühen … verschneite Bergspitzen der Alpenwelt … Das Kuh-Image der Schweiz mit seinen landwirtschaftlichen Produkten Käse, Schokolade und Trockenfleisch ist wohl fast auf der ganzen Welt bekannt und geschätzt. Von einem anderen landwirtschaftlichen Exportprodukt wird in Konsumentenkreisen wenig gesprochen: Rinder-Sperma.
Ejakuhlation
Seit der ersten künstlichen Befruchtung 1937 (in der Schweiz, andernorts sogar noch früher) ist daraus eine regelrechte Industrie entstanden. Gefrorene und gesexte Samen von Schweizer Stieren werden hierzulande und in 80 andern Ländern verwendet – über 350’000 Portionen à je etwa 15 Mio Spermien werden jedes Jahr verkauft. „Via ihrem Partner, dem globalen Verteiler Semex Alliance, exportiert Swissgenetics heute ihre Produkte auf alle Kontinente. Die Distributoren setzen sich dafür ein, die beste Genetik überall und allen Züchtern zugänglich zu machen.“
Die traditionelle Zucht hat zum Ziel, das Erbgut der Herde über Generationen gezielt zu verbessern und immer besser an Standort und Betrieb anzupassen (Milch, Fleisch, extensiv, intensiv). Durch die Vaterwahl aus dem Katalog wird das Zuchtziel zwar schneller erreicht und die Herde kann von einem grossen Genpool ziehen, aber im Ganzen wird die genetische Vielfalt eher reduziert (ein einzelnes Kalb hat möglicherweise – auf der ganzen Welt verteilt – 500‘000 Halbgeschwister).
Heute wird nicht mal mehr jedes fünfte Kalb mit Natursprung gezeugt (obwohl dabei die Trefferquote sehr viel höher liegt – ein Stier liefert durchschnittlich 600 Mio. Spermien pro Sprung). Denn ein Stier im Stall ist nicht nur gefährlich, sondern mit Kosten von Fr. 10.– pro Tag auch teuer. Trotzdem läuft in grossen Herden manchmal noch ein Stier mit: Da die Kuh ja jedes Jahr kalben soll, soll der Zeitpunkt der Brunst nicht verpasst werden. Ein Stier riecht das sofort – trägt er z.B. einen rot-färbenden Ring, markiert er so beim Besteigen für den Landwirt gut sichtbar jede brünstige Kuh. Doch nicht nur der Stier besteigt die Kuh; sie tun dies auch gegenseitig, wenn sie brünstig sind. Deshalb wird auch oft der Schwanzansatz andersfarbig (blau in unserer Abbildung der Rathcunikeen Dairy in Tipperary, IE) markiert: Beim Aufsprung wird die Farbe verwischt. Verschmiertes Blau und rote Markierung bedeutet also: sofort (künstlich) befruchten!
Kühe vom Fliessband
Noch einen Schritt weiter gehts beim Embryotransfer, wo dank Leihmüttern in einem Jahr 8–10 Vollgeschwister produziert werden können: Die Kuh mit den gewünschten Eigenschaften wird durch Hormongaben zu einem mehrfachen Eisprung – einer Superovulation – gebracht. 10–15 Eizellen reifen heran. Diese Eizellen werden künstlich befruchtet, wachsen zu Embryonen heran und werden dann aus der Gebärmutter ausgespült. Sie werden geschlechtsuntersucht, in 8–10 (hormonell vorbereitete) Leihmütter oder Ammentiere verpflanzt und wachsen dort zu vollständigen Kälbern heran.
Seit der Mensch das Rind als Nutztier entdeckt hat sind mehr als 800 verschiedene Rassen entstanden. Das Wissen um die Genetik ist für die Zucht der Tiere entscheidend. Hornlosigkeit zum Beispiel wird von einem dominanten Gen gesteuert, während Behornung rezessiv ist. Bei der Vererbung setzt sich das dominante Allel gegenüber dem rezessiven Allel durch. „Wird auf einem Betrieb mit Simmentaler Mutterkühen ein reinerbig hornloser Angusstier eingesetzt, kommen alle Kälber ohne Hornanlagen zur Welt. Alle diese Kälber sind aber Träger des rezessiven Allels für Behornung“, wird im Lehrmittel für Tierhaltung erklärt.
Welt – wohin?
In einem sechsjährigen Grossprojekt, an dem etwa 300 Forscher in 25 Ländern gearbeitet haben, wurde 2009 das Erbgut der Kuh entziffert. Von der Analyse des Genoms erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse über die Evolution der Säugetiere – und Hilfe bei der besseren Produktion von Fleisch und Milch. Doch wie weit ist es vom Embryotransfer bis zum Klonfleisch? Dieses soll längst in den Fleischtheken der USA liegen. Bereits vor Jahren verkündete die US Food and Drug Administration FDA, dass Fleisch und Milch von geklonten Tieren sicher sei und daher bedenkenlos gegessen werden könne, und Patente auf Leben sind längst Realität. Folgendes Zitat, mit welchem Aldous Huxleys vor 84 Jahren geschriebenes Buch beginnt, ist leider aktueller denn je.
Quellen und weiterführende Links:
- Viehzucht im Osten Europas (swissgenetics‘ „Toro 10/15“, über den Export von Rindersperma)
- Schweizer Sperma beglückt die Welt (TagesAnzeiger)
- Zahlen und Fakten über Spermahandel
- Jahresbericht Swissgenetics
- Gen-Forschung: Das Kuh-Erbgut ist entziffert (spiegel.de)
- Genetik: Kühe von Fliessband (Focus)
- China baut weltgrösste Klonfabrik
- Welcome to the Clone Farm (Reuter Science News, 2009)
- Animal Pharm – Indide GMO Transgenics and Cloning (c) Lion Television