Bei uns ist DDT längst verboten. Doch weitaus schädlichere Gifte landen heute noch täglich auf Ihrem Teller.
Neonicotinoide sind die weltweit meistverkauften Insektengifte. Sie sind in mehr als 120 Ländern zugelassen und hatten im Jahr 2008 einen Anteil von 24 Prozent am globalen Insektizidmarkt. Sie können in allen landwirtschaftlichen Produkten stecken. Doch nicht nur das: Bereits das Saatgut von Gemüse, Früchten, Kräutern und Getreide wird mit diesen Nervengiften umhüllt. Der Umsatz von Saatgut-Beizmitteln wurde 2008 zu 80 % von Neonicotinoiden dominiert (1). Sie werden nicht mehr abgebaut sondern die Pflanze nimmt sie während des Wachstums auf, sie gelangen via Wurzel, Stiel und Blätter direkt ins Gemüse, zirkulieren im Kreislauf der Pflanze und bleiben dort – bis auf unseren Teller.
Abwaschen und Schälen nützt nichts
In der Schweiz wurde Saatgut von Rüben, Raps, Mais, Getreide, Zwiebeln, Kohl, Lauch und Salat mit Neonicotinoiden behandelt. „Ausgehend vom Anteil an Saatgut, das in der Schweiz mit einem Insektizid gebeizt wurde, kann die betroffende Fläche geschätzt werden: 2500 Hektaren Mais (4 Prozent gebeiztes Saatgut), 19 450 Hektaren Zuckerrüben (95 Prozent gebeiztes Saatgut) und 15 500 Hektaren Raps (70 Prozent gebeiztes Saatgut).“ (2). So sind speziell die jungen Pflanzen im Frühling gegen Schädlinge geschützt und eine Anzahl Spritzapplikationen mit anderen Produkten können vermieden werden (3).
Nutzen oder Schaden?
Massenhaftes Bienensterben brachte die Neonicotinoide in die Schlagzeilen, dann publizierte die EAWAG einen Bericht, wonach Neonicotinoid-Insektizide „nicht nur die Bienen, sondern auch Gewässerorganismen … beeinträchtigen. Die gut löslichen Stoffe führen dazu, dass die Kleintiere auch bei geringen, aber anhaltenden Konzentrationen im Wasser absterben …“ Ausserdem besteht wegen der hohen Persistenz das Risiko von Anreicherungen in Böden und Oberflächenwässern. Es dauert bis zu neunzehn Jahre, bis diese Gifte abgebaut sind.
Bereits wenige Milliardstel Gramm können eine Honigbiene töten. Die Bienen finden nicht zurück zum Stock. Welche Wirkung das Gift auf die Bodenlebewesen hat ist noch nicht erforscht – man darf aber davon ausgehen, dass gebeiztes Saatgut das unterirdische Ökosystem stört und anfälliger macht (4, p.44). Der Rückgang vieler Vogelarten als Folge der Dezimierung ihrer Nahrungsquelle – denn das Gift macht keinen Unterschied zwischen schädlichen und guten Insekten – scheint ebenfalls nachgewiesen (5).
Verboten, aber nicht wirklich
DDT wurde 2004 verboten. Neonicotinoide sind seit den frühen 90er Jahren zugelassen und machen inzwischen mehr als einen Viertel der weltweit verwendeten Pestizide aus – jetzt kommen langsam die Probleme ans Licht. Nachdem die EFSA die Risiken der Insektizid-Reihe neu bewertet hat (6) wurden 2013 die drei Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiametoxam aus der Gruppe der Neonicotinoide in der EU verboten (7). – Allerdings nur für zwei Jahre.
Die Schweiz zog nach und suspendierte die Bewilligung zur Behandlung von Raps- und Maissaatgut. – Nicht aber für z.B. Zuckerrüben, Getreide, Salat oder Zwiebeln, weil die Gifte für den Humanverzehr ungefährlich seien (Zitat BLW, Link wurde entfernt).
Weiterhin erlaubt und in Bau- und Gartenmärkten erhältlich blieb Thiacloprid, das vom Hersteller für Salat, Rosen, Zierpflanzen und Obst ebenso wie gegen den Buchsbaumzünsler empfohlen und bis heute verkauft wird (9). Damit werden also weiterhin viele Pflanzen gespritzt, und von dort kommt es auch weiterhin in den Boden, in die Gewässer (10) und in die Pollen anderer Pflanzen, die wiederum von Bienen geerntet werden.
Dieses Jahr soll geprüft werden, ob das Verbot wirksam war, um das Bienensterben zu stoppen. Es wurden also drei Wirkstoffe aus der Neonicotinoid-Gruppe verboten, das für eine begrenzte Zeit und nicht auf allen Pflanzen: Wie wird das Resultat wohl ausfallen?
Propaganda gegen Verbot
Die Reaktion der Chemiekonzerne Syngenta und Bayer kam postwendend. Sie haben das Verbot kritisiert und argumentierten, ihr Gift sei nicht der Grund des Bienensterbens (11). Auch warnten sie schon vor dem Inkrafttreten des Moratoriums vor Ertragseinbussen für Bauern (12) und tatsächlich sagt jetzt die Vereinigung Europäischer Landwirte Copa-Cogeca ein Zurückgehen der Rapsproduktion vorher, weil „keine alternativen Instrumente für den Pflanzenschutz der Frühjahrssorten existieren und … die Kulturen durch Flohkäferangriffe stark geschwächt werden.“ (13)
Der Ausfall des marktführenden Mittels hat Konsequenzen, doch das soll kein Grund sein, Gifte vorbehaltlos wieder einzuführen!
Petition gegen Neonicotinoide
Weil das in der EU auf 2 Jahre befristete Moratorium in ein paar Monaten abläuft hat die Organisation pollinis.org eine Petition lanciert. Mehr darüber und die Möglichkeit, sie zu unterschreiben hier:
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