“Wie stellen sie sich eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln konkret vor, wenn wir zu 80 % von ausländischer Energie abhängig sind?” wurden wir gefragt. Die Diskussion ist wichtig, denn
1. Es geht um die Wirtschaft (nicht nur um die Landwirtschaft)
Die gesamte westlich geprägte, global dominante Wirtschaft ist abhängig vom Verbrauch nicht erneuerbarer Energie. Der Verbrauch natürlicher Ressourcen ist zurzeit die Grundlage des wirtschaftlichen Inkrementes. Diese Art, auf Kosten der Naturgrundlage zu wirtschaften, stösst zwar immer mehr an Grenzen, aber an sehr elastische. Die Schäden an Mensch und Umwelt können noch eine gewisse Frist hinausgeschoben werden. Das trübt die Wahrnehmung für die Dringlichkeit des Umdenkens und Umschwenkens.
Diese Wirtschaft, die auf dem Abbau der Naturressourcen beruht und immer mehr Stoffe in unserer Lebensumgebung deponiert und sie dadurch verändert, ist nicht „sicher“.
Die Landwirtschaft ist als Teil dieser Wirtschaft in diesen Prozess eingebunden. Sie steht, da sie an der Naturgrundlage arbeitet, diesem Konflikt näher. Im Zentrum des Problems steht die Versorgung der Gesamtbevölkerung, welche von den landwirtschaftlich produzierten Lebensmitteln vital abhängig ist wie von keinem anderen Konsumprodukt.
2. Es geht um uns
Die Ernährungssicherheit hat zwei Aspekte:
- die Verwirklichung einer nachhaltigen Gesamtwirtschaft, welche den Verbrauch der Naturressourcen grundlegend senken muss, um langfristig die Versorgung der Bedürfnisse der Menschen zu sichern und
- den kurzfristigen Aspekt gestörter Versorgung durch Krisen aller Art, die auch mit der laufenden Auseinandersetzung um verbleibende Ressourcen zusammenhängt.
Für den letzteren Fall muss unser kleines boden- und rohstoffarmes Land sich gegen Lebensmittelversorgungskrisen vorsehen. Das heisst
- es müssen Lager für Zeiten der im Krisenfall unterbrochenen Fremdversorgung geschaffen werden (Artikel 102 BV), und gleichzeitig
- muss eine Produktionsstruktur aufrechterhalten werden, die bei gestörten Handelskanälen fähig ist, jene Mengen an Nahrungsmitteln zu produzieren, die helfen den Hunger zu vermeiden. (Artikel 104 BV)
Das Brennstofflager, welches die Landwirtschaft für ein Jahr braucht, ist in wenigen Tankkesseln, die in der Schweiz für die Kriegsvorsorge erstellt wurden, unterzubringen. Der Transportaufwand für die Verteilung der Lebensmittel ist ebenfalls Teil der machbaren Vorsorge. Auch die Hilfsstoffe sind gut lagerbar. Das alles ist langfristig nicht nachhaltig, aber die ungelösten Ressourcenkonflikte und die Versorgungsunsicherheit lassen keine andere Wahl.
3. Es geht um Sicherheit
Wir seien zu 80 % von ausländischer Energie abhängig. Kurzfristig betrachtet könnte man deshalb zum Schluss kommen, das Exportland Schweiz sollte den internationalen Handel forcieren, je totaler umso besser. Zunehmend gehen Exporte in Entwicklungsländer, welche zur Beschaffung von Devisen fast nur Landwirtschaftsprodukte oder Rohstoffe anbieten können. Nahrungsmittel von überall auf der Welt einzuführen ist zurzeit billiger als im Inland zu produzieren. Aus dieser Sicht bräuchte die Schweiz ihre Nahrungsmittelproduktion gar nicht – ja sie steht einer Ausdehnung des Wachstums im industriellen Bereich sogar im Wege. Doch was, „wenn die Ressourcen auf der Welt knapper, die internationale Vernetzung und der Warenaustausch störungsanfälliger und die internationale Kooperation instabiler werden“? (Zitat von Verteidigungsminister Ueli Maurer – (1))
Die Ernährungssicherheit ist Teil der Landessicherheit und nicht diskutierbar. Es ist realitätsfremd zu behaupten, Ernährungssicherheit durch Wettbewerbsfähigkeit, Zugang zu internationalen Agrarmärkten und „ressourcenschonenden Konsum“ zu gewährleisten.
4. Es geht um Nachhaltigkeit
Langfristig muss die gesamte Wirtschaft inklusive der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit und zu mehr Überlebenssicherheit (auch epigenetisch) für die Menschheit umgebaut werden.
5. Wir brauchen Lösungen
5.1. Umbau der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit
„Die landwirtschaftliche Produktion verbraucht pro Hektare und Jahr rund fünfzig Gigajoule“ … schreibt das BWL. Nicht nur in Form von Diesel, Öl und Gas, auch als Futtermittel, Dünger usw. Zur Erzeugung von Düngerstickstoff ist fossiler Brennstoff erforderlich. Der Energie fressende Stickstoffdünger wurde seit Mitte des letzten Jahrhunderts um mehr als das Siebenfache gesteigert und belastet Wasser und Luft zunehmend. Mit dem Ausbau der Bio-Energie über Vergärungsanlagen hat diese Entwicklung ein galoppierendes Tempo angenommen. Als Folge davon nehmen der Klima ausgleichende Humus ab und die gesundheitlichen Schäden an Pflanzen, Tieren und Menschen zu. Doch für eine Ausrichtung auf übergeordnete Ziele fehlt den wenigen wirklich ganzheitlich denkenden und handelnden Agrarpolitikern die Unterstützung durch Kreise aus der Wirtschaft. Nur so ist es möglich, dass eine übermässig starke sogenannte Bauernlobby eine Entwicklung in Richtung Ökologie, die auch ökonomisch 100% Sinn macht, bremsen kann.
Weshalb gibt es bis heute keine Besteuerung des Handelsdüngers Stickstoff (Artikel „keine neue Steuer“ auf agrarinfo (2)), womit die inländische Produktion zwar reduziert würde, aber die Ernährungssicherheit gesteigert und die volkswirtschaftlichen Kosten der Landwirtschaft massiv gesenkt werden könnten?
5.2. Ziel: Ernährungssicher und Energieunabhängig
Je industrieller und energiefressender eine Landwirtschaft ist, umso mehr muss ihr Anteil an der Ernährungssicherheit in Frage gestellt werden.
Der Weltagrarbericht (3) und weitere Studien seither haben x-fach aufgezeigt, dass nicht die industrielle, wohl aber eine organische, vielseitige, bäuerliche und ressourcenschonende Landwirtschaft zukunftsfähig ist.
Wir wollen keine in Friedenszeiten durch übermässige Importe von Kraftstoffen, Dünger und Futtermitteln aufgeblähte (pseudo) Ernährungssicherheit, die bei gestörtem Grenzverkehr zusammenfällt. Aber existenzielle Fragen wie die landesinterne Versorgung mit Lebensmitteln – welche auch dem gesunden, kleinräumigen Wirtschaftskreislauf und somit den regionalen KMU zugute kommt – müssen ernst genommen werden.