Der Leserbrief von Raymond Gétaz der Kooperativen Longo maï in 2863 Undervelier erschienen am 23.Oktober 15 in der NZZ:
Zu selten wird über die Arbeitsbedingungen in der industriellen Landwirtschaft berichtet. Ähnliche Situationen wie in Italien denunziert das Europäische BürgerInnen Forum seit fünfzehn Jahren bei der Erdbeer- und Gemüseernte in Andalusien, der Pfirsichernte in Frankreich, der Spargelernte in Deutschland oder im Marchfeld in Österreich,… Sie sind nicht Krebsgeschwüre der modernen Landwirtschaft, sondern die konsequente Umsetzung von agroindustriellen Leitlinien der europäischen und in deren Gefolge auch der schweizerischen Landwirtschaftspolitik. Deren Auswirkungen zeichnen sich in der menschlichen Gesundheit mit zahlreichen unerklärlichen Krankheiten und Allergien ab. Masseninfektionen und Lebensmittelskandale, wie Rinderwahnsinn, Geflügelpest, Hormonfleisch, gentechnisch veränderte Nahrung, falsche Herkunftsbezeichnungen gehören leider schon zum Alltag.
Trotz Protesten empörter Konsumenten reagieren die Grossverteiler nur mit kosmetischen Massnahmen. Sie kaufen ihre Ware weiterhin dort, wo sie am billigsten produziert wird.
Der von Weltbank und der FAO beauftragte Weltagrarbericht von 400 Wissenschaftlern, kam zum Schluss, dass es mehr kleinbäuerliche, ökologische, den lokalen Bedingungen angepasste Anbaumethoden brauche, um die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern. Einen Ansatz in diese Richtung bietet die Volksinitiative «Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle» (www.souverainete-alimentaire.ch) der Bauerngewerkschaft Uniterre. Sie fordert den Einbezug von mehr Menschen in Landwirtschaft und Nahrungsproduktion. Sie verlangt, das Recht auf Nutzung, Vermehrung und Austausch von Saatgut, faire Preise in der Schweiz und international, gerechte Löhne, eine Landwirtschaft ohne gentechnisch veränderte Organismen, mehr Transparenz und eine Stärkung kurzer Kreisläufe zwischen Produzenten und Konsumenten.
Die Produktionsweise unserer täglichen Nahrung verlangt von uns allen mehr Aufmerksamkeit. Den Lehren der Konkurrenz und der Spekulation mit Nahrungsmitteln kann eine solidarische Lebensmittelproduktion über Generationen hinweg entgegengesetzt werden.
Die Longo maï Kooperative Le Montois: prolongomai.ch/die-kooperativen