Wenn der Heimmarkt geteilt werden muss, weil die Handelspartner Zugang dazu wollen (1), dann müssen die Bauern unternehmerisch mit der Situation umgehen (2). Diese Herausforderung ist eine Konsequenz des Systems, denn für die Landwirtschaft können nicht die gleichen Regeln gelten wie für die Industrie.
Mit demokratisch-politischen Mitteln wollen viele in der Schweiz die Agrarpolitik ändern. Wie brennend das Thema ist zeigt schon allein die Anzahl Volksinitiativen dazu. Für die gleichen Anliegen gehen, sehr viel medienwirksamer, in Frankreich die Bauern auf die Strasse.
Um was geht es?
Die Bauern sind tatsächlich Unternehmer und rechnen wie Unternehmer. Doch die Rechnung geht in Frankreich seit längerem nicht mehr auf, die erzielten Preise sind nicht kostendeckend. Zu hohe Abgaben und zu hohe Löhne um gegen die zu billige Konkurrenz aus dem EU-Raum anzukommen. 20% der französischen Landwirtschaftsbetriebe stehen kurz vor dem Konkurs – der Strukturwandel ist, in der ganzen EU, noch nicht abgeschlossen (3). Es herrscht Unordnung im Stall.
Die Französische Regierung hat am 22.Juli einen 24-Punkte-Plan präsentiert und ein 600 Mio Euro-„Hilfspaket bereitgestellt“. Den Bauern sollen gewisse Abgaben erlassen und neue Kredite zur Verfügung gestellt werden. Der Export, z.B. nach Griechenland, soll gefördert werden und die Verarbeitungs- und Verteilerkette soll ihre Verantwortung wahrnehmen (4).
Wieso wird das € 600 Mio-Hilfspaket kritisiert?
- Nicolas Sarkozy verlangt aus moralischen Gründen eine Mobilisation des ganzen Staatsapparats (5).
- Die Kommunistische Partei fordert kostendeckende Preise mit fairen Löhnen für die Produzenten und eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung. Denn die Flucht nach vorne mit Billigimporten und industrieller Landwirtschaft „wird auch weiterhin zur Vernichtung bäuerlicher Kleinbetriebe führen und geht auf Kosten der öffentlichen Gesundheit und der Verbraucher. Wir müssen wieder eine nationale Produktion herstellen, die abgestimmt ist auf die menschlichen Bedürfnisse.“ (6)
- Die Confédération Paysanne konstatiert in ihrem Pressecommuniqué, dass die Liberalisierungspolitik, die zur Überschuldung geführt hat und zehntausende von Bauern ins Verderben stürzt gestoppt werden muss. Exporte hängen von zu vielen nicht lokal beeinflussbaren Faktoren ab (z.B. dem politischen Importembargo Russlands) und sind mitverantwortlich für die gegenwärtige Krise. Die Idee, Fleisch ins momentan sehr schwache Griechenland zu exportieren ist geradezu zynisch (7) .
Was sind die Alternativen?
Der Problemkatalog der Landwirte in Frankreich tönt genauso wie die Herausforderungen, die uniterre mit der Initiative für Ernährungssouveränität auf den Tisch bringen, diskutieren und lösen will. Und effektiv war eine der Forderungen dieser Tage denn auch:
Die EU muss ihren Ehrgeiz für Ernährungssouveränität zurückgewinnen und Management- und Planungstools wie Richtpreise und Pufferlager wieder aktivieren.
Damit die Gemeinsame Agrar Politik GAP dem öffentlichen Interesse dient, muss sich Europa gegen die TTIP wehren. (6)
Wie weiter?
Im September soll eine Konferenz der Europäischen Agrarminister das Thema diskutieren. Affaire à suivre also …
Weiterführende Links:
- Aus der Fragestunde im Nationalrat (15.6.15, NR. A.Aebi) zu den in der Schweiz tatsächlich an die Milchverarbeiter bezahlten Preise
- Live-Reportage des Protests bei lefigaro.fr
- Bauernprotest in der Deutschen Tagesschau, mit Leserkommentaren
- globalmeatnews.com berichtet über die Proteste. Die Marketingmaschine zum Export von US-Beef nach Frankreich ist schon angekurbelt, da „France is one of the most promising European markets for U.S. beef“ (Anmerkung: Marketingunterstützung zur Eroberung neuer Märkte wird nicht als Exportsubvention verbucht und ist trotz WTO-Abkommen erlaubt)
- Netzfrauen
- Die NZZ über die Proteste