Es ist Frühling, alles spriesst und wächst. Das Zwitschern der Vögel lockt uns nach draussen in den Garten. Die Erde an den Händen spüren, säen und pflanzen um dann gesundes und biologisches Gemüse ernten zu können … Doch woher kommen eigentlich die Gemüsesetzlinge, die jetzt überall feilgeboten werden?
Setzlinge sind 14 Tage unterwegs in die Schweiz
Nur etwa die Hälfte aller Setzlinge stammt auch wirklich aus der Schweiz. Die anderen – vor allem wärmeliebende Pflanzen wie Tomaten, Peperoni und Gurken – werden hauptsächlich aus Marokko, Holland und Deutschland importiert. Rund 43326 Tonnen wurden allein im vergangenen Jahr mit dem Lkw in die Schweiz gebracht. Diese emigrierten Pflänzchen dürfen sich dann, wenn eine oder mehrere Kulturmassnahmen – Pikieren, Umtopfen oder Stecken – in der Schweiz stattfinden und mindestens die Hälfte der Kulturdauer in der Schweiz erfolgt, “Schweizer Gemüse” nennen. Auch Bio, denn die Bio Suisse-Richtlinien schreiben einzig vor, dass Jungpflanzen aus “biologischer Herkunft stammen” müssen und der Transport nicht mit dem Flugzeug erfolgen darf.
Schweizer Grossverteiler deklarieren die Herkunft der Jungpflanzen nicht. Auch wenn beteuert wird, dass marokkanische Setzlinge ökologisch eher besser abschneiden als schweizerische, wäre mehr Transparenz bei der Deklaration der Herkunft der Jungpflanzen wünschenswert, so dass die Hobbygärtner selber entscheiden können. (1)
Und wie sieht es in der Landwirtschaft aus? Bei Kartoffeln und den meisten Getreidearten können die schweizerischen Bauern auf einen sehr hohen Anteil an zertifiziertem Saat- und Pflanzgut aus dem Inland zählen, wobei das Kartoffelsaatgut praktisch komplett von Landi kontrolliert wird. Ganz anders sieht es aber z.B. bei Raps und Sonnenblumen aus: Hier herrscht eine vollständige Abhängigkeit von ausländischen Vermehrern. (2)
Sie möchten ihre Pflanzen lieber selber ziehen?
Auch beim Samenkauf gilt es, die Augen offen zu halten. So unglaublich es klingt, aber ein Grossteil des handelsüblichen Saatgutes stammt von Chemie- und Pestizid-Herstellern. (3)
Hybrid-Samen machen 90% des Marktanteils aus. Hybriden sind ertragreicher und sehr homogen, jedoch für eine Wiederaussaat weitgehend unbrauchbar, da die positiven Eigenschaften nicht stabil an die nächste Generation weitervererbt werden. Kritiker unterstellen den Saatgutkonzernen, Hybriden deshalb weiterzuentwickeln, weil die Bauern dadurch gezwungen sind, alljährlich neues Saatgut zu kaufen. Ein grosser Teil unserer Gemüse, wie beispielsweise Mais, Raps und Roggen stammen von Hybriden ab, und bei Kohlgemüsen wie Broccoli oder Blumenkohl wird hier zusätzlich noch mit gentechniknahen Zuchtmethoden wie CMS-Hybriden gezüchtet – auch in der biologischen Landwirtschaft.
Saatgut ist längst ein privatwirtschaftlich interessantes Geschäft. Früher hat der Bauer sein Saatgut selber produziert, doch heute darf er patentgeschützte Samen nur dann vermehren, wenn der Patentinhaber das gestattet. Heute übernehmen Konzerne immer mehr die Kontrolle über die Landwirtschaft und damit über die weltweite Nahrungsmittelversorgung.
Vermehrung = Erhaltung
Die Alternative zu Hybriden sind samenfeste Sorten, die noch natürlich vermehrt werden können. Aus ihrem Saatgut wachsen Pflanzen, die dieselben Eigenschaften und Gestalt haben wie ihre Mutterpflanzen. Durch ihre Vermehrung werden sie erhalten.
Saatgut selber herzustellen ist gar nicht so schwer. Am einfachsten geht’s bei Pflanzen, die ihre Samen nicht in Früchte verpacken, wie beispielsweise Blumensamen. Diese sind reif zur Ernte, wenn die Blüten verwelkt sind. Bei Salaten lässt man einige Pflanzen so lange stehen, bis sie “schiessen” und Blüten produzieren, von denen man dann die Samen gewinnen kann. Aber auch einige Selbstbefruchter, bei denen nur eine sehr geringe Verkreuzungsgefahr besteht wie z.B. Gartenbohnen und Tomaten, können leicht selber vermehrt werden. Gartenbohnen lässt man einfach genügend ausreifen. Bei Tomaten werden von schönen, reifen Früchten die Samen vor dem Verzehr entnommen, ein bis zwei Tage zimmerwarm stehen gelassen um die keimhemmende Schicht abzubauen, dann in einem Teesieb abgespült und am Schluss gut getrocknet.
Naturschutz.ch: Saatgut selbst gewinnen
Lehrfilm “Saatgut ist Gemeingut”
Saatgut = Politik
Wem das dann aber doch zu aufwändig ist: Wirklich in der Schweiz gezogene Demeter-Gemüsesetzlinge findet man zum Beispiel bei der Vision Birchhof in der Nähe von Zürich. Und samenfestes Saatgut gibt’s bei folgenden Adressen zu kaufen:
Zollinger Samen
Sativa Rheinau
Auch der Besuch der zahlreichen Samentauschbörsen und Setzlingsmärkte lohnt sich. Organisationen wie Arche Noah oder ProSpecieRara setzen sich zum Beispiel mit der Führung einer Sortenzentrale mit Samenbibliothek dafür ein, dass die Vielfalt der Rassen und Sorten für jedermann verfügbar ist und bleibt. Sie kämpfen gegen die Patentierung von Leben und bieten viele interessante Aktivitäten, durch die interessierten Menschen der Zugang zu alten Sorten ermöglicht wird. Auch der Bund engagiert sich konkret mit dem Betrieb der nationalen Genbank bei Agroscope Changins-Wädenswil sowie mit der Umsetzung des “Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft”.
Veranstaltungskalender Märkte ProSpecieRara
Bioterra Übersicht Setzlings- und Samenbörsen
Quellen und weiterführende Links:
- 1) Schweizer Gemüse kommt aus Afrika
- 2) BLW Publikation Sorten, Saat- und Pflanzgut in der Schweiz
- 3) Informationsreihe „Saatgut“: Alles Monsanto oder was?!
- Weltagrarbericht: Saatgut und Patente auf Leben
- No patents on seeds!
- Petition: Keine Patetne auf Leben!
- Wer das Saatgut beherrscht, beherrscht die Menschen
- Von Saatgut, Züchtung und Patenten
- Einheitsbrei beim Gemüse: Was man über Saatgut wissen muss (Kassensturz)
- bdn.ch: Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen