Podiumsdikussion mit Inputreferaten
Die einen wollen sauberes Wasser, die anderen günstige Rohstoffe, die dritten kostendeckende Preise. Alles nachvollziehbare Anliegen. Wo ist der gemeinsame Nenner, auf den alle bauen können?
Was löst die Trinkwasser-Initiative aus?
Wer möchte nicht, dass „Stoffe die unsere Gewässer und das Trinkwasser verschmutzen, gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen“? Mit der Volksinitiative „Sauberes Trinkwasser für Alle“ sollen (unter anderem) sämtliche Subventionen gestrichen werden für Betriebe, die Pestizide einsetzen.
Die Trinkwasserinitiative fordert sauberes Wasser für alle und rüttelt an der ganzen Agrarpolitik. Wird sie umgesetzt, bleiben einem Grossteil der Landwirtschaftsbetriebe nur zwei Alternativen: a) Sie geben einen Teil ihrer Produktion auf (und das damit verbundene Einkommen) oder b) sie verzichten auf die staatliche Unterstützung (und damit auf einen kritischen Teil ihres Einkommens). Beides hätte eine deutliche Reduktion der Betriebe zur Folge und damit käme auch unsere bereits fragile Ernährungssicherheit weiter unter Druck.
Anders ausgedrückt: Die Durchsetzung der Initiative scheint problematisch, wenn man einen gewissen Selbstversorgungsgrad behalten will und den immensen finanziellen Druck, unter dem der erste Sektor unsere Lebensmittel produziert, berücksichtigt.
Trotzdem: Das erklärte Ziel ist ein hehres Ziel, auf das man (gemeinsam) hinarbeiten muss. Dazu müssen die Gründe für den aktuellen Missstand genannt werden, die Probleme, die dazu geführt haben, angegangen und Lösungen gefunden werden, die nachhaltig und – auch international -sozialverträglich sind.
Wir möchten eine Brücke schlagen zwischen den Konsument*innen, dank denen die Initiative zustande gekommen ist, und den Bäuer*innen, bei denen sie berechtigte Existenzängste auslöst. Wir möchten den Politiker*innen verständlich machen, dass es nicht um Bauern- oder Konsumentenlobby geht, sondern um die Ernährung und Gesundheit von uns allen. Die Initiative enthält ernst gemeinte und berechtigte Anliegen, die gemeinsam angegangen werden müssen.
Wir laden zu einer Diskussion über die Trinkwasser-Initiative ein mit dem Ziel, das gegenseitige Verständnis zu fördern, die Stärken und Schwächen der aufgerüttelten Agrarpolitik aufzuzeigen und Brücken zu schlagen.
Wenn Ökonomie auf Ökologie trifft
Konkret ergänzt die Initiative (nebst anderem) Art. 104 Abs. 3 a) wie folgt: „(der Bund) ergänzt das bäuerliche Einkommen durch Direktzahlungen zur Erzielung eines angemessenen Entgelts für die erbrachten Leistungen, unter der Voraussetzung eines ökologischen Leistungsnachweises, der die Erhaltung der Biodiversität, eine pestizidfreie Produktion und einen Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann, umfasst.” Und weiter „er schliesst Landwirtschaftsbetriebe von Direktzahlungen aus, … deren Produktionssystem einen regelmässigen Einsatz von Antibiotika nötig macht.“
Über dieses finanzielle Druckmittel sollen die Bauern zu giftfreiem Wirtschaften gezwungen werden.
Klicken Sie auf das ⊕ links vom Titel um den Text zu öffnen:
Ökonomische Fakten
Das Landwirtschaftliche Einkommen wird für die Statistik pro Betrieb (nicht pro Person) widergegeben und betrug 2016 im Mittel CHF 64‘300.- bei durchschnittlich 1,4 Vollarbeitskräften… (hier sind die Direktzahlungen bereits enthalten).
Vergleichslöhne im zweiten und dritten Sektor sind mindestens fünfzig und bis über hundert Prozent höher als der Arbeitsverdienst in der Landwirtschaft.
Viele Bauernfamilien müssen ihr Einkommen durch Nebenverdienste ausserhalb des Betriebs aufbessern, was zwar ihr „Gesamteinkommen“ erhöht, ihnen aber Zeit auf dem Betrieb raubt.
International gesehen ist die Schweizer Landwirtschaft mit 28’400.- Franken Schulden pro Hektar eine der am stärksten verschuldeten Agrarwirtschaften Europas, Tendenz steigend. Der Druck auf die Familien ist immens, zum Teil mit katastrophalen Folgen.
Immer mehr Bauern und Bäuerinnen versuchen mit Diversifizierung, lukrativeren Nischenprodukten, Direktvermarktung oder touristischen Angeboten aus der grossen Abhängigkeit der Direktzahlungen zu entkommen und das fehlende Einkommen zu ersetzen.
Die weitere Liberalisierung der Märkte über Freihandelsabkommen (z.B. mit Mercosur-Staatenverbund oder Malaysia und Indonesien) werden die Preise in der Landwirtschaft noch weiter einbrechen lassen.
Ökologische Folgen
Hilfsstoffe werden genutzt, um den Ertrag zu steigern und um auf der vorhandenen Fläche möglichst viel und möglichst einheitliche Nahrungsmittel zu produzieren.
Mehr Ausgleichs- und Vernetzungsflächen bedeuten, dass bei gleichbleibender Gesamtfläche weniger Land für die Produktion zur Verfügung steht. Damit der Ertrag pro Fläche gleich bleibt, die Ernährungssicherheit soll ja weiterhin gewährleistet sein, muss die nachhaltige Bewirtschaftung intensiviert werden.
Als Folge der immer angespannteren Situation in der Schweiz wird die einheimische Produktion mitsamt der Umweltbelastung noch mehr ins Ausland verlagert. Dabei besetzen wir damit bereits heute die Fläche einer „zweiten Schweiz“.
Die ökologische Landwirtschaft könnte einen wichtigen Beitrag zur Welternährung leisten, wenn Menschen weniger tierische Produkte ässen, Tiere keine Menschennahrung frässen (feed no food) und in der gesamten Ernährungskette weniger Abfall (Foodwaste) produziert würde.
Soziale Folgen
Eine nachhaltige Landwirtschaft ist zu Weltmarktpreisen nicht zu haben. Um immer noch „effizienter zu wirtschaften“ oder auch um ihren Betrieb neuen Vorschriften anzupassen, verschulden sich die Landwirt*innen weiter.
Die damit einhergehende psychische Belastung, speziell wenn die Produzentenpreise sinken, ist enorm.
Die häufig thematisierten ausnützerischen Löhne, dank denen gewisse Importprodukte zu konkurrenzlosen Preisen angeboten werden, führen nicht nur in den Herkunftsländern sondern auch hierzulande zu ausbeuterischem Wirtschaften, Lohnzerfall und sozialem Elend.
Artikel über die Tagung
Die ReferentInnen und DiskussionsteilnehmerInnen
Franziska Herren
Franziska Herren, 51 Jahre alt, Mutter von zwei erwachsenen Kindern und Initiantin der Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung -Keine Subventionen für den Pestizid- und prophylaktischen Antibiotika-Einsatz»
Markus Ritter
Markus Ritter, Bio Knospe Landwirt, Nationalrat und Präsident Schweizer Bauernverband.
“Wir stehen für eine nachhaltige Landwirtschaft in der gesunde Lebensmittel produziert werden. Wir pflegen die Kulturlandschaft und setzen uns für Biodiversität ein. Wir wollen ein Tteil unserer Gesellschaft sein und einen Beitrag für eine lebendige Kultur leisten.”
Olivier Félix
Olivier Félix, Leiter Fachbereich nachhaltiger Pflanzenschutz, Bundesamt für Landwirtschaft
Dr. iur. Urs Reinhard
Dr. iur. Urs Reinhard, Partner bei Markwalder Emmenegger, Rechtsanwälte und Wirtschaftskonsulenten
Tätigkeiten im Bereich der Nahrungsmittelindustrie ist er:
- Co-Geschäftsführer der Föderation der schweizerischen Nahrungsmittelindustrie fial
- Geschäftsführer von SCFA, SwissOlio, Glacesuisse, Suppenverband und der Interessengemeinschaft Tee, Gewürze und verwandte Produkte
- Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für die Ausbildung von Lebensmitteltechnologen
- Präsident der Branchenorganisation swisspatat
- Mitglied des Verwaltungsrates der réservesuisse
- Mitglied des Kaders der wirtschaftlichen Landesversorgung der Schweiz
Sophie Michaud Gigon
Sophie Michaud Gigon, Generalsekretärin der Fédération romande des consommateurs (FRC)
- Seit dem 1. Juni 2017 Geschäftsführerin der ältesten und grössten Konsumentenschutzorganisation der Schweiz FRC
- Germanophil, Westschweizerin, Lausannerin mit Herz für die Jurasser Waldweiden
- Tätig seit 20 Jahren auf nationaler Ebene (NGO-Profi, Politik, Advocacy)
Dr. sc. nat. Andreas Bosshard
Dr. sc. nat. ETH Zürich Andreas Bosshard
-
- Produzent von Ökosaatgut
- Berater und Forscher im Rahmen der Firma Ö+L GmbH
- Geschäftsführer von Vision Landwirtschaft
- Mitbewirtschafter eines grösseren Biobetriebes mit Ackerbau, Milch und Obst
-
per Klick zum Flyer mit Programm →
Weitere Links zum Thema