Veröffentlichung: 10.12.12; Aktualisierung: 22.04.14
Eine Entgegnung zum NZZ-Artikel von Christoph Hirter, „Milliarden für Schweizer Bauern – Subventionen werden neu verteilt, aber kaum reduziert“, in NZZ, 5. 12. 2012, S. 27.
Christoph Hirter schreibt: „Sicher ist es sinnvoller, dass Landwirte für von ihnen erbrachte gemeinwirtschaftliche Leistungen wie die Landschaftspflege via Direktzahlungen entschädigt werden, als durch Marktstützungsmassnahmen und Inputsubventionen die Überproduktion zu fördern.“ Diese Aussage, welche die Einführung der Direktzahlungen seit den 90er Jahren begründet hat, ist völlig unbestritten. Nun ist aber bei der AP 14-17 erklärtes Ziel, die produktionsunabhängigen Einkommensstützen abzubauen und stattdessen eigentliche Leistungsentgelte für Landschaftspflegeleistungen einzuführen. Damit werden die bisher produktionsunabhängigen Einkommensstützungen plötzlich an zusätzliche Leistungen im Nichtlebensmittelbereich geknüpft. Die produktionsun-abhängigen Direktzahlungen als bisher erklärter Einkommensausgleich würden reduziert. Dieser Verlust wird nicht ersetzt, sondern es wird der Landwirtschaft Gelegenheit zu entschädigten Mehrleistungen in der Landschaftspflege angeboten – bei gleichbleibendem Zahlungsrahmen. Die Landwirtschaft muss also bei gleichbleibendem Entgelt, weiter sinkenden Produktionserträgen, mehr Arbeit ausserhalb der Lebensmittelproduktion leisten. Mit dieser Konzeptänderung strebt der Bundesrat an, die Landwirtschaft sukzessive aus der Produktion abzuziehen und sie stattdessen vermehrt im landschaftlichen Ausgleichsraum des Citystate zu beschäftigen. Dies soll dann die Grenzöffnung für den angestrebten billigeren Nahrungsmittelimport erleichtern, die landschaftspflegerischen Voraussetzungen für die Wachstum generierende Werte-entwicklung des Immobilienparks des Citystate breit absichern und nicht zuletzt der Landwirtschaft nichtlandwirtschaftlichen Einkommensersatz verschaffen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Landwirtschaft die landschaftspflegerischen Dienstleistungen im Interesse des Immobilienparks am kostengünstigsten erbringt. Die AP 14-17 will nun die Landwirtschaft — oder was davon übrig bleibt — auf diese ‚Geschäftsziele’ neu ausrichten, ohne diese Konzeptänderung weg von der Lebensmittelproduktion hin zum Citystate klar beim Namen zu nennen.
Wie soll jedoch die Aufhebung der Direktzahlungen begründet werden, wozu sich Christoph Hirter einleitend klar ausgesprochen hat? Direktzahlungen seien im Grunde verkappte Preissubventionen an die Lebensmittelüberproduktion, welche nun zu Gunsten neu zu implementierender Landschaftspflegeleistungen heruntergefahren werden müssten. Im NZZ-Artikel wird auf die bekannte OECD-Statistik über den Grad der Agrarstützung im internationalen Vergleich Bezug genommen, welche die staatlichen Preissubventionen an die Landwirtschaft und die Differenz der jeweiligen inländischen Konsumentenpreise zu den angenommenen Weltmarktpreisen zusammenzählt. Andere Parameter wie Kaufkraft der Konsumenten oder der Staatsaufwand der einzelnen Länder pro Einwohner für die eigene Landwirtschaft bleiben unberücksichtigt. Die Landwirtschaft in einkommensstarken Hochpreisländern ist gemäss Darstellung der OECD somit immer hoch subventioniert, obwohl inzwischen kaum mehr namhafte Preissubventionen an die Bauern bezahlt werden. Bei der nationalen Betrachtung der zweiten Graphik, „Steigende Direktzahlungen“, lässt die NZZ entgegen der OECD-Darstellung die Preisdifferenzen zwischen Inland und dem sog. Weltmarkt überraschend weg. Damit treten als „Subventionen“ in dieser Darstellung nur noch die produktionsunabhängigen direkten Einkommenszahlungen, die sog. Direktzahlungen, in Erscheinung. Es entsteht der Eindruck, die Direktzahlungen seien die Ursache für die namhafte Agrarstützung gemäss der OECD-Graphik. Die Subventionierung der Lebensmittel in der Graphik „Steigende Direktzahlungen“ für 1990 gibt die NZZ mit lediglich 300 Mio. Franken an. Der Bundesrat gibt in der Staatsrechnung 1990/92 die Aufwendungen des Bundes für Produktion und Absatz damals immer noch mit ca. 1.7 Mrd. Franken an. (Heute gegen 400 Mio. Fr., siehe Graphiken ‚Ausgaben für Landwirtschaft und Ernährung’). Diese Preisstützungen sind inzwischen massiv gesunken, die Preise wegen den WTO-Abmachungen ebenfalls gefallen und die Fremdleistungskosten sogar gestiegen. Davon haben die heutigen produktionsunabhängigen Direktzahlungen nur einen Teil ausgeglichen.
Der vorgeschlagene Umbau der Direktzahlungen (Reduktion der Flächen- und Tierbeiträge) entzieht der Lebensmittelproduktion Einkommen. Pflegeleistungen gegen Entgelt sind kein Einkommensersatz. Die Versorgungssicherheit als verfassungsmässiges Hauptziel würde geopfert.
Zürich, 8. Dezember 2012 / Auskünfte erteilt: Hans Bieri, SVIL, 079 432 43 52